Astronomen entdecken rätselhafte Strukturen in der Staubscheibe um AU Microscopii

Diese Aufnahmen zeigen die Veränderungen in der Staubscheibe des Sterns AU Microscopii. (ESO, NASA & ESA)
Diese Aufnahmen zeigen die Veränderungen in der Staubscheibe des Sterns AU Microscopii. (ESO, NASA & ESA)

Mit Hilfe von Bildern des NASA/ESA-Weltraumteleskops Hubble und des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) haben Astronomen nie zuvor beobachtete Strukturen in einer Staubscheibe um einen nahen Stern entdeckt. Die sich schnell bewegenden, wellenähnlichen Strukturen in der Materiescheibe des Sterns AU Microscopii gleichen keinen jemals beobachteten oder gar vorhergesagten Strukturen. Der Ursprung und die Natur dieser Strukturen stellen ein neues Geheimnis für die Erforschung durch die Astronomen dar. Die Ergebnisse wurden am 8. Oktober 2015 im Journal Nature veröffentlicht.

AU Microscopii oder kurz AU Mic ist ein junger, naher Stern, der von einer großen Staubscheibe umgeben ist. Er liegt nur 32 Lichtjahre von der Erde entfernt. Die Scheibe besteht im Grunde genommen aus Asteroiden, die mit solcher Wucht kollidiert sind, dass sie sich in Staub aufgelöst haben. Untersuchungen solcher Staubscheiben können wertvolle Anhaltspunkte darüber geben, wie aus diesen Scheiben Planeten gebildet werden.

Astronomen haben die Scheibe von AU Microscopii nach Anzeichen für verklumpte oder verzerrte Strukturen abgesucht, weil solche Anzeichen auf die Position potenzieller Planeten hinweisen könnten. Im Jahr 2014 nutzen sie die leistungsfähigen, kontrastreichen Abbildungsmöglichkeiten des neu installierten SPHERE-Instruments am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte für ihre Suche – und entdeckten etwas sehr Ungewöhnliches.

„Unsere Beobachtungen haben etwas Unerwartetes gezeigt“, erklärte Anthony Boccaletti vom Observatoire de Paris in Frankreich, der Hauptautor der Abhandlung. „Die Bilder von SPHERE zeigen eine Reihe unerklärter Strukturen in der Scheibe, welche ein bogenähnliches oder wellenähnliches Aussehen haben. Sie gleichen keinen bereits bekannten Strukturen.“

Auf den Bildern zeigen sich fünf wellenähnliche Bögen in verschiedenen Entfernungen zu dem Stern; sie erinnern an Kräuselungen in Wasser. Nachdem sie die Strukturen in den SPHERE-Daten gefunden hatten, wandten sich die Wissenschaftler früheren Aufnahmen der Scheibe zu, die 2010 und 2011 mit dem NASA/ESA-Weltraumteleskop Hubble gemacht wurden, um zu prüfen, ob diese Strukturen auch dort sichtbar waren. Die Daten wurden mit dem Space Telescope Imaging Spectrograph (STIS) des Hubble-Teleskops gesammelt. Die Forscher waren nicht nur in der Lage, die Strukturen auf früheren Hubble-Bildern zu identifizieren, sondern sie entdeckten auch, dass sie sich im Verlauf der Zeit verändert hatten. Es stellte sich heraus, dass sich diese Strukturen bewegen – und zwar sehr schnell.

„Wir bearbeiteten die Bilder mit den Hubble-Daten erneut und erhielten genug Informationen, um die Bewegung dieser seltsamen Strukturen über einen Zeitraum von vier Jahren zu verfolgen“, erläuterte das Teammitglied Christian Thalmann von der ETH Zürich in der Schweiz. „Dadurch stellten wir fest, dass sich die Bögen mit Geschwindigkeiten von bis zu 40.000 Kilometern pro Stunde von dem Stern entfernen.“

Die weiter von dem Stern entfernten Strukturen scheinen sich schneller zu bewegen als die ihm näher gelegenen. Mindestens drei dieser Strukturen bewegen sich so schnell, dass sie der gravitativen Anziehung des Sterns entkommen könnten. Derart hohe Geschwindigkeiten schließen die Möglichkeit aus, dass es sich dabei um normale Scheibenstrukturen handelt, die von Objekten wie Planeten hervorgerufen werden, welche die Materie in der Scheibe während der Umkreisung stören. Es muss etwas anderes daran beteiligt gewesen sein, um die Kräuselungen zu beschleunigen und sie so schnell werden zu lassen. Das bedeutet, sie sind ein Hinweis auf etwas wirklich Ungewöhnliches. Die Kantenansicht der Scheibe erschwert die Interpretation ihrer dreidimensionalen Struktur allerdings.

„Alles an dieser Entdeckung war recht überraschend“, kommentierte die Co-Autorin Carol Grady von Eureka Scientific in den USA. „Und weil so etwas bisher noch nicht beobachtet oder in der Theorie vorausgesagt wurde, können wir nur Vermutungen anstellen, wenn es darum geht zu sagen, was wir sehen und wie es entstanden ist.“

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Video-Link: https://youtu.be/T5n12RXQiR8

HubbleCast 88: Rätselhafte Kräuselungen bewegen sich durch die Staubscheibe eines nahen Sterns. (ESO, NASA & ESA)

Das Team kann nicht mit Sicherheit sagen, was diese rätselhaften Kräuselungen um den Stern erzeugt hat. Aber sie haben eine Reihe von Phänomenen als Erklärung in Betracht gezogen und ausgeschlossen. Dazu zählen beispielsweise die Kollision zweier massereicher und seltener asteroidenähnlicher Objekte, die große Mengen Staub freisetzten, sowie spiralförmige Wellen aufgrund gravitativer Instabilitäten in dem System.

Aber andere Theorien, die sie in Erwägung gezogen hatten, klingen vielversprechender. „Eine Erklärung für die eigenartige Struktur setzt sie mit den Ausbrüchen (Flares) des Sterns in Zusammenhang. AU Microscopii ist ein Stern mit hoher Eruptionsaktivität – er setzt oft starke und plötzliche Energieausbrüche auf oder nahe seiner Oberfläche frei“, sagte der Co-Autor Glenn Schneider vom Steward Observatory in den USA. „Einer dieser Flares könnte möglicherweise etwas auf einem der Planeten (falls es dort Planeten gibt) ausgelöst haben – wie ein gewaltiger Materieabzug, der sich jetzt durch die Scheibe bewegt, angetrieben von der Kraft des Flares.“

„Es ist sehr zufriedenstellend, dass sich SPHERE in seinem ersten Betriebsjahr als sehr fähig bei der Untersuchung von Scheiben wie dieser bewiesen hat“, ergänzte Jean-Luc Beuzit, der als Co-Autor an der neuen Studie mitwirkte und auch die Entwicklung des SPHERE-Instruments selbst leitete.

Das Team plant, die Beobachtung des Systems AU Microscopii mit SPHERE und anderen Einrichtungen fortzusetzen, darunter ALMA, um zu verstehen, was dort geschieht. Aber zum jetzigen Zeitpunkt bleiben diese seltsamen Strukturen noch ein ungelöstes Rätsel.

Quelle: http://www.spacetelescope.org/news/heic1521/

(THK)

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