Eine gemeinsame Beobachtungskampagne der MAGIC-Teleskope am Observatorio del Roque de los Muchachos (La Palma, Spanien) und des VERITAS Array am Fred Lawrence Whipple Observatory (Tucson, Arizona, USA) hat eine neue Quelle hochenergetischer Gammastrahlen in einem ungewöhnlichen Sternsystem entdeckt, das aus einem massereichen Stern und einem Pulsar besteht. Die Studie wurde kürzlich in den Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.
Bei dem Sternsystem handelt es sich um ein Doppelsternsystem mit der Katalogbezeichnung PSR J2032+4127/MT91 213 – ein Paar gravitativ gebundener Sterne auf exzentrischen Umlaufbahnen mit einer Orbitalperiode von 50 Jahren.
Gammastrahlung emittierende Doppelsternsysteme sind seltene Objekte, was wahrscheinlich auf eine kurze Zeitperiode in der Entwicklung einiger massereicher Doppelsternsysteme zurückzuführen ist. In diesen Systemen umkreisen sich ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch (die Endprodukte der stellaren Entwicklung massereicher Sterne) und ein massereicher Stern. Im Bereich der hochenergetischen Gammastrahlung wurden bisher nur ein paar Doppelsternsysteme entdeckt. Bislang wurden weniger als zehn Exemplare gefunden, und die Natur dieser kompakten Objekte oder stellaren Überreste (sofern sie einen Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch enthalten) blieb bei den meisten von ihnen unbekannt.
Eine einzigartige Möglichkeit
Im Jahr 2002 registrierte man Gammaemissionen von einer ausgedehnten Quelle mit der Bezeichnung TeV J2032+4130, deren Natur noch nicht bekannt war. Aber erst im Jahr 2008 entdeckte das Weltraumteleskop Fermi einen hochgradig magnetisierten Neutronenstern oder Pulsar namens PSR J2032+4127, der die Quelle der Emissionen von dieser unbekannten Quelle zu sein scheint. Die letzte Überraschung kam im Jahr 2015, als entdeckt wurde, dass dieser Pulsar gravitativ an den Stern MT91 213 gebunden ist. Die beiden Sterne umkreisen einander einmal in 50 Jahren.
Das interessanteste Ereignis für die Forscher auf dem Gebiet der Gammastrahlung war jedoch, dass die engste Annäherung zwischen dem Pulsar und dem Stern im November 2017 geschehen würde. “Man ging davon aus, dass ein solch einzigartiges System während der Annäherung hochenergetische Gammastrahlen emittieren würde, und diese Gelegenheit durfte nicht verpasst werden”, sagte Alicia López Oramas vom Instituto de Astrofísica de Canarias (IAC), eine der Hauptautoren der Studie.
Sofort wurde eine gemeinsame Beobachtungskampagne gestartet, um nach Emissionen aus diesem Doppelsternsystem zu suchen. Im Jahr 2016 begannen beide Observatorien nach Emissionen dieser Quelle zu suchen, aber alles, was sie registrieren konnten, waren die Emissionen von TeV J2032+4130. “Diese Quelle ist wahrscheinlich ein Nebel, die Hülle eines Supernova-Überrests, die von dem Pulsar angeregt wird”, erklärte Ralph Bird von der University of California in Los Angeles. “Im Jahr 2016 konnten wir nur die Emissionen dieser schwachen Quelle sehen, die nach 50 Beobachtungsstunden registriert wurden.”
Die richtige Aufregung kam dann im Jahr 2017. Im September dieses Jahres, vor der erwarteten Annäherung, registrierten Astronomen einen Anstieg der Emissionen aus dem neuen Gamma-Doppelsternsystem. “Die Gammaemissionen waren doppelt so hoch wie der Wert, der von der ausgedehnten Quelle gemessen wurde”, sagte Tyler Williamson, ein Doktorand von der University of Delaware. Das erstaunlichste Ereignis fand allerdings im November statt. “Während der engsten Annäherung zwischen dem Stern und dem Pulsar erhöhte sich die Gammaemission in nur einer Nacht um den Faktor Zehn”, sagte Jamie Holder, ein Professor am Department of Physics and Astronomy der University of Delaware.
Eine vielversprechende Zukunft
Vor diesem Nachweis wurde nur ein anderes Gamma-Doppelsternsystem mit einem bekannten Pulsar entdeckt. In beiden Fällen werden Teilchen in der zwischen dem Sternwind und dem Pulsarwind erzeugten Schockwelle beschleunigt, wobei sie Gammastrahlen produzieren. “Das Wissen um die Natur des kompakten Objekts erlaubt uns, Teilchenbeschleunigungsmechanismen und Modelle zur Emission von Gammastrahlen zu untersuchen”, erklärte Oscar Blanch Bigas vom Institut de Física d’Altes Energies (IFAE).
Das Cherenkov Telescope Array (CTA), das Tscherenkov-Observatorium der nächsten Generation, das kürzlich den Prototyp seines ersten Large Size Telescope (LST-1) eingeweiht hat, wird bei der Entdeckung neuer Gamma-Doppelsterne helfen. “Mit einer geschätzten Population von 100-200 Gamma-Doppelsternen in der Galaxie wird das CTA wahrscheinlich die Natur dieser Systeme enthüllen und neue Einblicke in die Entwicklung von Doppelsternsystemen geben”, schlussfolgerte Javier Herrera Llorente. Llorente ist Manager des CTA-Projekts am IAC und wirkte an der Studie mit.
Die spanische Wissenschaftsgemeinschaft ist von Beginn an durch eine Reihe öffentlicher Forschungszentren an MAGIC beteiligt, darunter das IAC, das IFAE, die Universidad Autónoma de Barcelona (UAB), die Universidad de Barcelona (UB) und die Universidad Complutense de Madrid (UCM). Das Datenzentrum für MAGIC ist das Port d’Informació Científica (PIC), eine Zusammenarbeit zwischen dem IFAE und dem Centro de Investigaciones Energéticas, Medioambientales y Tecnológicas (CIEMAT).
Abhandlung: “Periastron Observations of TeV Gamma-Ray Emission from a Binary System with a 50-year Period” von der MAGIC Collaboration und der VERITAS Collaboration et al., The Astrophysical Journal Letters, Volume 867, Number 1, Oct. 2018.
(THK)
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