Aktuell gibt es etwa 2.000 bestätigte Exoplaneten mit Radien, die kleiner als drei Erdradien sind, und Messungen ihrer Dichten offenbaren eine erstaunliche Vielfalt. Manche haben Dichten, die unterhalb der Dichte Neptuns liegen, der hauptsächlich aus flüchtigen Substanzen besteht (bei vierfachem Erdradius), während andere gesteinsähnliche Dichten zu haben scheinen, vergleichbar mit der Dichte der Erde oder höher. Ein so breites Spektrum an Zusammensetzungen könnte die Folge der unterschiedlichen Anfangsbedingungen beim Planetenentstehungsprozess sein. Oder die Ursache dafür könnte ein dramatisches Ereignis sein, das dem Planeten widerfuhr und während seiner Entwicklung die Anfangsbedingungen änderte.
In einer neuen Studie im Journal Nature Astronomy berichten Astronomen, dass im Exoplanetensystem Kepler-107 eine gigantische Kollision stattgefunden haben muss. Obwohl es in unserem eigenen Sonnensystem einige Beobachtungshinweise für Kollisionsprozesse gibt, gab es bislang kein eindeutiges Ergebnis, das das Einschlagszenario bei Exoplaneten unterstützt. Zu dem Astronomenteam gehörten Aldo S. Bonomo und Mario Damasso (Istituto Nazionale Di Astrofisica, INAF), sowie Li Zeng (Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, CfA) und einige Kollegen.
Astronomen hatten vermutet, dass Planeten mit geringen Dichten so wie die Riesenplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun aus kaltem Eis und Gas in den äußeren Regionen der protoplanetarischen Scheibe eines jungen Sterns entstehen. In den inneren Bereichen entstehen Planeten aus Gesteinselementen wie Silikaten und Eisen, deren Staub die heißere Umgebung überstehen kann.
Mit hunderten riesiger Exoplaneten, die eine geringe Dichte aufweisen und ihre Zentralsterne in geringem Abstand umkreisen, hat sich das Bild heute verkompliziert. Im Fall der evolutionären Effekte vermutet man, dass zwei Prozesse hauptverantwortlich für die Beeinflussung einer planetaren Dichte sind: Massenverlust aus der planetaren Atmosphäre und/oder Oberfläche aufgrund Verdampfung durch die Strahlung des Zentralsterns oder eine gigantische Kollision zwischen Planeten.
Von den vier bekannten Planeten im System Kepler-107 besitzen die beiden innersten fast identische Radien von 1,536 beziehungsweise 1,597 Erdradien (die Unsicherheit liegt bei nur bei etwa 0,2 Prozent). Ihre Umlaufperioden sind mit 3,18 beziehungsweise 4,90 Tagen ebenfalls vergleichbar, was bedeutet, dass sie relativ nahe beieinander liegen.
Mit dem HARPS-N-Spektrograf am Telescopio Nazionale Galileo auf La Palma bestimmte das Team die planetaren Massen und damit ihre Dichten. Die Beobachtungen sind überraschend: Ihre Dichten sind sehr verschieden – 5,3 beziehungsweise 12,65 Gramm pro Kubikzentimeter. Zum Vergleich: Die Dichte von Wasser beträgt ein Gramm pro Kubikzentimeter und die Dichte der Erde liegt bei 5,5 Gramm pro Kubikzentimeter.
Die Tatsache, dass einer der Planeten eine Dichte aufweist, die mehr als doppelt so groß ist, kann nicht einfach durch stellare Strahlungseffekte erklärt werden, die beide Planeten in ähnlicher Weise beeinflusst haben sollten. Darüber hinaus ist es der äußere Planet, der dichter als der innere Planet ist.
Die Astronomen argumentieren stattdessen, dass ein gigantischer Einschlag auf dem Planeten Kepler-107c (dem dichteren Planeten) einen Teil seines Silikatmantels weggerissen hat, so dass er von seinem dichten Eisenkern dominiert wird. Sie untermauern diese Hypothese mit theoretischen Berechnungen.
“Dies ist eins von vielen interessanten Exoplanetensystemen, die das Weltraumteleskop Kepler entdeckt und charakterisiert hat. Diese Entdeckung hat frühere theoretische Arbeiten bestätigt, laut denen gigantische Kollisionen zwischen Planeten eine Rolle während der Planetenentstehung spielten. Die TESS-Mission wird voraussichtlich mehr solcher Beispiele finden”, sagte Li Zeng vom CfA.
Wenn katastrophale Kollisionen in Planetensystemen häufig stattfinden, dann sagen Astronomen die Entdeckung vieler weiterer Beispiele wie Kepler-107 voraus, weil die Anzahl der präzise bestimmten Exoplanetendichten zunimmt.
Mercedes Lopez-Morales, Andrew Vanderburg, John Johnson, Dave Latham, Chantanelle Nava, David Phillips und Dimitar Sasselov vom CfA waren ebenfalls Mitglieder des Teams. Li Zeng ist auch an der Harvard Origins of Life Initiative und am Department of Earth & Planetary Sciences tätig.
Das Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) mit Hauptsitz in Cambridge (Massachusetts) ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Smithsonian Astrophysical Observatory und dem Harvard College Observatory. Forscher aus sechs Abteilungen untersuchen hier den Ursprung, die Entwicklung und das Schicksal des Universums.
(THK)
Antworten