SDO beobachtet eine neue Art magnetischer Rekonnexion auf der Sonne

Dieses Bild zeigt die Sonne am 3. Mai 2012; das kleine Bild zeigt eine Nahaufnahme des vom SDO beobachteten Rekonnexionsereignisses, wo die X-Form sichtbar ist. (Credits: NASA / SDO / Abhishek Srivastava / IIT (BHU))
Dieses Bild zeigt die Sonne am 3. Mai 2012; das kleine Bild zeigt eine Nahaufnahme des vom SDO beobachteten Rekonnexionsereignisses, wo die X-Form sichtbar ist. (Credits: NASA / SDO / Abhishek Srivastava / IIT (BHU))

Das Solar Dynamics Observatory (SDO) der NASA hat eine magnetische Explosion beobachtet, die nie zuvor gesehen wurde. In den heißen oberen Bereichen der Sonnenatmosphäre begann eine sogenannte Protuberanz zurück auf die Sonnenoberfläche zu fallen – Protuberanzen sind große Materiebögen, die von einer Eruption auf der Sonnenoberfläche fortkatapultiert wurden. Aber bevor sie zurückfallen konnte, traf diese Protuberanz auf magnetische Feldlinien, was eine magnetische Explosion auslöste.

Wissenschaftler haben früher bereits die explosive Neuausrichtung verdrehter Magnetfeldlinien auf der Sonne beobachtet (ein Prozess, der als magnetische Rekonnexion bezeichnet wird), aber nie eine, die von einer nahen Eruption ausgelöst wurde. Die Beobachtung bestätigt eine Jahrzehnte alte Theorie und könnte Wissenschaftlern helfen, ein wichtiges Rätsel über die Sonnenatmosphäre zu lösen, bessere Weltraumwettervorhersagen zu treffen, und es könnte auch zu Durchbrüchen in der kontrollierten Fusion und in Laborplasmaexperimenten führen.

„Dies war die erste Beobachtung eines externen Auslösers für die magnetische Rekonnexion“, sagte Abhishek Srivastava, ein Sonnenforscher am Indian Insitute of Technology (BHU) in Varanasi (Indien). „Das könnte für das Verständnis von anderen Systemen sehr hilfreich sein. Beispielsweise für die Magnetosphären der Erde und anderer Planeten, andere magnetisierte Plasmaquellen, darunter Experimente im Labor, wo das Plasma hochgradig diffusiv und sehr schwer zu kontrollieren ist.“

Bereits früher wurde ein Typ von magnetischer Rekonnexion auf der Sonne und in Erdnähe beobachtet, die als spontane Rekonnexion bezeichnet wird. Aber dieser neue, explosionsbedingte Typ – bezeichnet als erzwungene Rekonnexion – wurde bislang nie direkt beobachtet, obwohl er erstmals vor 15 Jahren vermutet wurde. Die neuen Beobachtungen wurden kürzlich im Astrophysical Journal veröffentlicht.

Die zuvor beobachtete spontane Rekonnexion erfordert eine Region mit genau den richtigen Bedingungen, um auftreten zu können – dazu zählt eine dünne Schicht aus ionisiertem Gas oder Plasma, die elektrischen Strom nur schwach leitet. Der neue Typ, die erzwungene Rekonnexion, kann in einem breiteren Ortspektrum auftreten, zum Beispiel kann dieses Plasma eine noch geringere Leitfähigkeit haben. Allerdings kann sie nur auftreten, wenn es dort eine Art Eruption gibt, die sie auslöst. Die Eruption komprimiert das Plasma und die Magnetfelder, was die Rekonnexion verursacht.

Auch wenn die zahllosen Magnetfeldlinien der Sonne unsichtbar sind, beeinflussen sie die Materie in ihrer Umgebung – ein ultraheißes Gemisch aus geladenen Teilchen, Plasma genannt. Die Wissenschaftler konnten dieses Plasma mit Beobachtungen des SDO untersuchen – insbesondere eine Wellenlänge, die Teilchen zeigt, welche auf 1-2 Millionen Kelvin aufgeheizt wurden.

Die Beobachtungen erlaubten ihnen, die erzwungene Rekonnexion erstmals direkt in der Sonnenkorona zu sehen, der obersten Atmosphärenschicht der Sonne. In einer Bilderserie, die im Zeitraum von einer Stunde aufgenommen wurde, konnte man eine Protuberanz zurück auf die Photosphäre fallen sehen. Auf dem Weg traf die Protuberanz auf magnetische Feldlinien, die eine X-förmige Neuausrichtung verursachten.

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Video-Link: https://youtu.be/dGAHJXLIbKA

 

Die spontane Rekonnexion bietet eine Erklärung für die Temperatur der Sonnenatmosphäre, die rätselhafterweise Millionen Grad heißer ist als tiefere Atmosphärenschichten. Das ist ein Rätsel, das Sonnenforschern Jahrzehnte lang danach suchen ließ, welcher Mechanismus diesen Temperaturanstieg verursacht. Die Forscher betrachteten mehrere ultraviolette Wellenlängen, um die Temperatur des Plasmas während und nach dem Rekonnexionsereignis zu berechnen. Die Daten zeigten, dass die Protuberanz, die verglichen mit der heißen Korona relativ kühl war, nach dem Ereignis Hitze aufnahm. Das spricht dafür, dass die erzwungene Rekonnexion eine Möglichkeit sein könnte, wie die Korona lokal aufgeheizt wird. Die spontane Rekonnexion kann ebenfalls Plasma aufheizen, aber die erzwungene Rekonnexion scheint ein viel effektiverer Aufheizungsmechanismus zu sein, der die Temperatur des Plasmas schneller, höher und kontrollierter ansteigen lässt.

Während der Auslöser dieses Rekonnexionsereignisses eine Protuberanz war, könnten auch andere Sonneneruptionen wie Flares und koronale Massenauswürfe erzwungene Rekonnexionen verursachen. Weil diese Eruptionen Weltraumwetterphänomene hervorrufen, kann das Verstehen der erzwungenen Rekonnexion Simulationsexperten helfen, besser vorherzusagen, wann hochenergetische, geladene Teilchen in Richtung Erde fliegen könnten.

Zu verstehen, wie die magnetische Rekonnexion auf kontrollierte Weise erzwungen werden kann, könnte Plasmaphysikern auch helfen, sie im Labor zu erzeugen. Das ist letztendlich hilfreich auf dem Gebiet der Laborplasmaexperimente, um sie zu kontrollieren und zu stabilisieren.

Die Wissenschaftler suchen nach weiteren erzwungenen Rekonnexionsereignissen. Mit mehr Beobachtungen können sie beginnen, die Mechanismen hinter der Rekonnexion zu verstehen und wie oft sie stattfinden könnte.

„Unser Gedanke ist, dass die erzwungene Rekonnexion überall vorkommt“, sagte Srivastava. „Aber wir müssen weiter beobachten, um sie zu quantifizieren, wenn wir das belegen wollen.“

Quelle

(THK)

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