Die Mehrheit der Galaxien existieren nicht in Isolation. Stattdessen sind sie durch die Gravitation an andere Galaxien gebunden, entweder in relativ kleiner Anzahl in Form sogenannter Galaxiengruppen oder in viel größeren Ansammlungen, die als Galaxienhaufen bezeichnet werden und aus hunderten oder tausenden Galaxien bestehen. Manchmal ziehen sich diese Galaxienansammlungen durch die Gravitation gegenseitig an und verschmelzen letztendlich miteinander.
Ein Astronomenteam hat festgestellt, dass zwei Galaxiengruppen mit einer bemerkenswerten Geschwindigkeit von 6,4 Millionen Kilometern pro Stunde miteinander kollidieren. Das könnte die gewaltigste Kollision sein, die bislang zwischen zwei Galaxiengruppen beobachtet wurde. Die Astronomen nutzten Daten des Chandra X-ray Observatory, des ESA-Weltraumteleskops XMM-Newton, des Giant Metrewave Radio Telescope (GMRT) und optische Beobachtungsdaten des Apache Point Observatory in New Mexico.
Das System trägt die Katalogbezeichnung NGC 6338 und liegt rund 380 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Das Bild umfasst Röntgendaten von Chandra (Rot), welche heißes Gas mit Temperaturen von mehr als 20 Millionen Grad Celsius anzeigen. Kühleres Gas, das von Chandra und XMM-Newton registriert wurde (Blau), erzeugt ebenfalls Röntgenstrahlung. Die Chandra-Daten wurden mit optischen Daten des Sloan Digital Sky Survey kombiniert, welche die Galaxien und Sterne in Weiß zeigen.
Die Forscher schätzen, dass die Gesamtmasse von NGC 6338 etwa 100 Billionen Sonnenmassen beträgt. Ungefähr 83 Prozent davon liegen in der Form Dunkler Materie vor, 16 Prozent bestehen aus heißem Gas und ein Prozent sind Sterne. Diese hohe Masse spricht dafür, dass die Galaxiengruppen in Zukunft zu einem Galaxienhaufen verschmelzen werden. Die Kollision und Verschmelzung werden beendet und das System wird durch seine Gravitation weiterhin mehr Galaxien anziehen.
Frühere Studien von NGC 6338 haben Belege für die Regionen mit kühlerem, Röntgenstrahlung emittierenden Gas in der Nähe der Zentren der beiden Galaxiengruppen geliefert (kühle Kerne genannt). Diese Informationen haben Astronomen geholfen, die Geometrie des Systems zu rekonstruieren. Das offenbarte, dass die Kollision zwischen den Galaxiengruppen fast entlang der Sichtlinie zur Erde stattfand. Dieses Ergebnis wurde mit der neuen Studie bestätigt.
Video-Link: https://youtu.be/tYjs10G0MIY
Die neuen Daten von Chandra und XMM-Newton zeigen auch, dass das Gas links und rechts der kühlen Kerne und zwischen ihnen durch Schockwellen aufgeheizt worden zu sein scheint (ähnlich wie die Überschallknalle von Überschallflugzeugen), die durch die Kollision der beiden Galaxiengruppen entstanden. Dieses Muster aus schockwellenbedingt aufgeheiztem Gas wurde mittels Computersimulationen vorhergesagt, aber NGC 6338 könnte die erste Verschmelzung von Galaxiengruppen sein, die das deutlich zeigt. Eine solche Aufheizung würde einen Teil des heißen Gases an der Abkühlung hindern und dadurch die Bildung neuer Sterne hemmen.
Eine zweite Hitzequelle, die häufig in Galaxiengruppen und Galaxienhaufen gefunden wird, ist Energie, die durch Ausbrüche und Jets aus hochenergetischen Teilchenjets von supermassiven Schwarzen Löchern geliefert wird. Momentan scheint diese Hitzequelle in NGC 6338 inaktiv zu sein, weil Radiodaten des GMRT keine Belege für Jets von supermassiven Schwarzen Löchern ergaben. Diese Abwesenheit könnte die Filamente aus sich abkühlendem Gas im Röntgenbereich und in optischen Daten in der Umgebung der großen Galaxie im Zentrum des kühlen Kerns im Süden sein. Die für dieses Kompositbild verwendeten Filter zeigen die optischen Filamente nicht; die Röntgenfilamente sind die kleinen, fingerähnlichen Strukturen, die aus dem Zentrum des kühlen Kerns im Süden herausragen, etwa bei 2 Uhr, 7 Uhr und 8 Uhr.
Eine Abhandlung, die diese Ergebnisse beschreibt, wurde in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlicht. Der Erstautor ist Ewan O’Sullivan vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) in Cambridge (Massachusetts); die Co-Autoren sind Gerrit Schellenberger (CfA), Doug Burke (CfA), Ming Sun (University of Alabama in Huntsville, Alabama), Jan Vrtilek (CfA), Larry David (CfA) und Craig Sarazin (University of Virginia, Virginia).
Das Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville (Alabama) leitet das Chandra-Programm für das Science Mission Directorate der Agentur in Washington. Das Smithsonian Astrophysical Observatory in Cambridge und Burlington (Massachusetts) steuert Chandras Wissenschafts- und Flugoperationen.
(THK)
Antworten