Fermi beobachtet Gemingas Gamma-Halo

Künstlerische Illustration des Fermi Gamma-ray Space Telescope im Orbit. (Credits: NASA's Goddard Space Flight Center)
Künstlerische Illustration des Fermi Gamma-ray Space Telescope im Orbit. (Credits: NASA's Goddard Space Flight Center)

Das Fermi Gamma-ray Space Telescope der NASA hat ein schwaches aber ausgedehntes Hochenergieleuchten um einen nahen Pulsar entdeckt. Wenn er für das menschliche Auge sichtbar wäre, würde dieser Gamma-Halo am Himmel etwa 40 Mal größer erscheinen als der Vollmond. Diese Struktur könnte die Lösung für ein lange bestehendes Rätsel um die Menge an Antimaterie in unserer Nachbarschaft sein.

“Unsere Analyse spricht dafür, dass derselbe Pulsar verantwortlich für das Jahrzehnte lang bestehende Rätsel sein könnte, warum ein Typ von kosmischen Teilchen in Erdnähe ungewöhnlich häufig vorkommt”, sagte Mattia Di Mauro, ein Astrophysiker von der Catholic University of America in Washington und dem Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland). “Es handelt sich dabei um Positronen (die Antimaterie-Version von Elektronen), die von irgendwo jenseits des Sonnensystems stammen.”

Eine Abhandlung, die die Ergebnisse beschreibt, wurde am 17. Dezember 2019 im Journal Physical Review D veröffentlicht.

Ein Neutronenstern ist der kollabierte Kern, der zurückbleibt, wenn ein massereicher Stern seinen Brennstoff aufgebraucht hat, unter seinem eigenen Gewicht kollabiert und als Supernova explodiert. Manche Neutronensterne sehen wir als Pulsare – schnell rotierende Objekte, die elektromagnetische Strahlung ähnlich wie ein Leuchtturm emittieren, welche regelmäßig unsere Sichtlinie überstreicht.

Geminga, im Jahr 1972 vom Small Astronomy Satellite 2 der NASA entdeckt, gehört zu den hellsten Pulsaren im Gammabereich. Er liegt ungefähr 800 Lichtjahre entfernt im Sternbild Gemini (Zwillinge). Gemingas Name ist sowohl ein Wortspiel mit dem Begriff „Gemini gamma-ray source“ als auch mit dem Ausdruck „es ist nicht da“ im Dialekt, welcher in Mailand (Italien) gesprochen wird. Letzteres bezieht sich auf die Unfähigkeit der Astronomen, das Objekt in anderen Energiebereichen aufzuspüren. Geminga wurde im März 1991 endlich identifiziert, als die deutsche ROSAT-Mission aufleuchtende Röntgenstrahlen registrierte und die Quelle als Pulsar identifizierte, der 4,2 Mal pro Sekunde rotiert.

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Video-Link: https://youtu.be/BInimiulZQk

 

Ein Pulsar umgibt sich natürlicherweise mit einer Wolke aus Elektronen und Positronen. Das liegt daran, dass das intensive Magnetfeld des Neutronensterns die Teilchen von der Oberfläche des Pulars abzieht und sie auf annähernd Lichtgeschwindigkeit beschleunigt.

Elektronen und Positronen gehören zu den schnellen Teilchen, die als kosmische Strahlen bezeichnet werden und von jenseits des Sonnensystems stammen. Weil kosmische Strahlen eine elektrische Ladung tragen, werden ihre Bahnen gestört, wenn sie auf ihrem Weg zur Erde Magnetfeldern begegnen. Das bedeutet, dass Astronomen sie nicht direkt zu ihren Quellen zurückverfolgen können.

Im letzten Jahrzehnt zeigten Messungen der kosmischen Strahlen von Fermi, dem Alpha Magnetic Spectrometer (AMS-02) an Bord der Internationalen Raumstation ISS und anderen Weltraumexperimenten in Erdnähe mehr Positronen bei hohen Energien, als Wissenschaftler erwartet hatten. Nahe Pulsare wie Geminga waren die Hauptverdächtigen dafür.

Dieses Modell des Gamma-Halos von Geminga zeigt, wie sich die Emissionen in verschiedenen Energiebereichen verändern. Verantwortlich dafür sind die Bewegung des Pulsars durch den Raum und die Tatsache, dass sich energieärmere Teilchen viel weiter von dem Pulsar entfernen, bevor sie mit Sternlicht interagieren. (Credits: NASA‘s Goddard Space Flight Center / M. Di Mauro)
Dieses Modell des Gamma-Halos von Geminga zeigt, wie sich die Emissionen in verschiedenen Energiebereichen verändern. Verantwortlich dafür sind die Bewegung des Pulsars durch den Raum und die Tatsache, dass sich energieärmere Teilchen viel weiter von dem Pulsar entfernen, bevor sie mit Sternlicht interagieren. (Credits: NASA‘s Goddard Space Flight Center / M. Di Mauro)

Dann, im Jahr 2017, bestätigten Wissenschaftler mit dem High-Altitude Water Cherenkov Gamma-ray Observatory (HAWC) bei Puebla (Mexiko) frühere bodenbasierte Nachweise eines kleinen Gamma-Halos um Geminga. Sie beobachteten diese Struktur bei Energien zwischen fünf und 40 Billionen Elektronenvolt – das ist Licht mit billionenfach mehr Energie als sichtbares Licht.

Wissenschaftler vermuten, dass diese Emission entsteht, wenn beschleunigte Elektronen und Positronen mit nahem Sternlicht kollidieren. Die Kollision bringt das Licht auf viel höhere Energien. Ausgehend von der Größe des Halos schlussfolgerte das HAWC-Team, dass Geminga-Positronen aus diesem Energiebereich nur selten die Erde erreichen. Wenn das stimmt, würde das bedeuten, dass der beobachtete Positronenüberfluss eine exotischere Erklärung haben muss.

Aber das Interesse am Ursprung eines Pulsars hielt an, und Geminga war an vorderster Front. Di Mauro leitete eine Analyse von Gammadaten über Geminga, die von Fermis Large Area Telescope (LAT) während eines Jahrzehnts gesammelt wurden. Das LAT beobachtet energieärmeres Licht als HAWC.

“Um den Halo zu untersuchen, mussten wir alle anderen Gammaquellen abziehen, darunter diffuses Licht von Kollisionen zwischen kosmischen Strahlen und interstellaren Gaswolken”, sagte die Co-Autorin Silvia Manconi, eine Postdoktorandin an der RWTH Aachen in Deutschland. “Wir untersuchten die Daten mit zehn verschiedenen Modellen zu interstellaren Emissionen.”

Was nach dem Entfernen dieser Quellen übrigblieb, war ein ausgedehntes längliches Leuchten im Energiebereich von zehn Milliarden Elektronenvolt, das sich am Himmel über rund 20 Grad erstreckt. Das ist vergleichbar mit der Größe des berühmten Großen Wagens – und der Halo ist in niedrigeren Energien sogar noch größer.

“Energieärmere Teilchen entfernen sich viel weiter von dem Pulsar, bevor sie auf Sternlicht treffen, einen Teil ihrer Energie auf selbiges übertragen und das Licht in den Gammabereich bringen. Deswegen bedeckt die Gammaemission bei niedrigeren Energien ein größeres Gebiet”, erklärte die Co-Autorin Fiorenza Donato vom National Institute of Nuclear Physics und der University of Turin (Italien). “Gemingas Halo ist aufgrund der Bewegung des Pulsars durch den Weltraum auch teilweise länglich.”

Das Team stellte fest, dass die LAT-Daten kompatibel mit den früheren HAWC-Beobachtungen sind. Geminga allein könnte verantwortlich für bis zu 20 Prozent der vom AMS-02-Experiment beobachteten hochenergetischen Positronen sein. Die Extrapolation dessen auf die gesamten Emissionen aller Pulsare in unserer Galaxie sagt Wissenschaftlern zufolge aus, dass Pulsare die beste Erklärung für den Positronenüberfluss bleiben.

“Unsere Arbeit demonstriert die Bedeutung der Untersuchung einzelner Quellen, um vorherzusagen, wie sie zu kosmischen Strahlen beitragen”, sagte Di Mauro. “Das ist ein Aspekt des aufregenden neuen Fachgebietes der Multimessenger-Astronomie, bei der das Universum neben Licht auch durch verschiedenartige Signale wie kosmische Strahlen erforscht wird.”

Das Fermi Gamma-ray Space Telescope ist eine Partnerschaft zwischen Astrophysik und Teilchenphysik unter Leitung des Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland). Fermi wurde in Zusammenarbeit mit dem US-Energieministerium entwickelt, mit wichtigen Beiträgen von akademischen Institutionen und Partnern in Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Schweden und den Vereinigten Staaten.

Quelle

(THK)

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