Physiker der ATLAS Collaboration am Large Hadron Collider (LHC) des CERN suchten nach Dunkle-Materie-Teilchen, indem sie nach dem Zerfall des Higgs-Bosons in Teilchen suchten, die vom ATLAS-Experiment nicht direkt beobachtet werden können. Die Präsenz solcher Teilchen in den Kollisionstrümmern würde ein Energieungleichgewicht mit den sichtbaren, messbaren Teilchen verursachen.
Die Wissenschaftler durchsuchten den kompletten Datensatz des LHC-Betriebslaufs 2 (2015-2018), bestehend aus rund zehn Millionen Milliarden (1016) Proton-Proton-Kollisionen. Sie suchten nach Ereignissen, bei denen ein Higgs-Boson durch einen bestimmten, gut identifizierbaren Prozess (Vektor-Bosonen-Fusion) erzeugt wurde und dann in unregistrierte Teilchen zerfiel.
Die Daten zeigten kein Übermaß an solch charakteristischen Ereignissen über dem erwarteten Hintergrund. Die ALTAS Collaboration schlussfolgerte, dass sich mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit nicht mehr als 13 Prozent der im LHC produzierten Higgs-Bosonen in unregistrierte Teilchen umwandeln. Diese Ergebnisse setzen den Higgs-Zerfallsprozessen in solch unregistrierte Teilchen die bislang engsten Grenzen.
Dunkle Materie, die etwa 85 Prozent der Masse im Universum ausmacht, wurde bisher nur indirekt mittels Gravitationseffekten beobachtet. Keine Teilchen dieser Dunklen Materie wurden in einem Labor beobachtet. Wenn sie bei Kollisionen im LHC entstehen, gehen Physiker außerdem davon aus, dass die Dunkle-Materie-Teilchen nicht mit den riesigen Detektoren an den Kollisionspunkten interagieren würden und „unsichtbar“ für den Detektor sind, was in „fehlender Energie“ bei den Kollisionsüberresten resultieren würde.
Allerdings besitzen Dunkle-Materie-Teilchen eine Masse, und wenn man den Zusammenhang des Higgs-Bosons zur Masse berücksichtigt, haben Physiker vorgeschlagen, dass Dunkle-Materie-Teilchen mit dem Higgs-Boson interagieren könnten: Ein Higgs-Boson könnte kurz nach der Erzeugung durch Kollisionen am LHC in Dunkle-Materie-Teilchen zerfallen. Kollisionsereignisse, in denen ein Higgs-Boson durch die Vektor-Bosonen-Fusion produziert wird, zeigen konische Teilchenjets, die in Richtung der vorderen Bereiche von ATLAS gerichtet sind, nahe der LHC-Strahllinie. Die fehlende Energie aus den einzelnen Teilchen wäre jedoch in Richtung der vertikalen Ebene senkrecht zur Strahllinie gerichtet. Die Kombination dieser beiden Eigenschaften gibt Wissenschaftlern eine einzigartige Signatur bei der Suche nach Dunkler Materie.
Obwohl kein Übermaß beobachtet wurde, lieferte die Suche wichtige Grenzen über Dunkle Materie von geringer Masse, was die direkten Suchprojekte nach Dunkler Materie an anderen Einrichtungen ergänzt. Sie war auch eine wichtige Demonstration für die neuen Techniken, die von Wissenschaftlern bei der Forschung am LHC eingesetzt werden. Das Higgs-Boson, entdeckt im Jahr 2012, hat sich schnell in ein unschätzbares Mittel bei der Suche nach Anzeichen für physikalische Prozesse jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik entwickelt.
(THK)
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