NASA-Missionen beobachten Magnetar-Eruptionen in einer nahen Galaxie

Der Riesenflare GRB 200415A und seine Positionsbestimmung am Himmel, basierend auf Beobachtungsdaten verschiedener Weltraumobservatorien. (Credits: NASA's Goddard Space Flight Center and Adam Block / Mount Lemmon SkyCenter / University of Arizona)
Der Riesenflare GRB 200415A und seine Positionsbestimmung am Himmel, basierend auf Beobachtungsdaten verschiedener Weltraumobservatorien. (Credits: NASA's Goddard Space Flight Center and Adam Block / Mount Lemmon SkyCenter / University of Arizona)

Am 15. April 2020 durchdrang ein kurzer Ausbruch hochenergetischen Lichts das Sonnensystem und löste Instrumente an Bord verschiedener US-amerikanischer und europäischer Weltraumobservatorien aus. Jetzt schlussfolgern mehrere internationale Forschungsteams, dass dieser Ausbruch von einem extrem magnetischen stellaren Überrest in einer benachbarten Galaxie stammte, einem sogenannten Magnetar.

Dieses Ergebnis bestätigt lange bestehende Vermutungen, dass manche Gammablitze (kosmische Eruptionen, die fast täglich am Himmel registriert werden) tatsächlich starke Flares von relativ nahe gelegenen Magnetaren sind.

“Das wurde immer als eine Möglichkeit angesehen, und mehrere seit 2005 beobachtete Gammablitze haben überzeugende Belege dafür erbracht”, sagte Kevin Hurley, Senior Space Fellow am Space Science Laboratory der University of California in Berkeley. Er schloss sich mehreren Forschern an, um den Ausbruch auf dem virtuellen 237. Treffen der American Astronomical Society zu besprechen. “Das Ereignis vom 15. April 2020 ist bahnbrechend, weil wir feststellten, dass der Ausbruch fast sicher innerhalb der Scheibe der nahen Galaxie NGC 253 lag.”

Abhandlungen, die unterschiedliche Aspekte des Ereignisses und dessen Auswirkungen analysieren, wurden am 13. Januar 2021 in den Journalen Nature und Nature Astronomy veröffentlicht.

Gammablitze sind die gewaltigsten Explosionen im Universum und können über Milliarden Lichtjahre hinweg registriert werden. Sogenannte kurze Gammablitze, die weniger als zwei Sekunden andauern, treten auf, wenn sich ein Paar einander umkreisender Neutronensterne (kompakte Überreste explodierter Sterne) spiralförmig aufeinander zu bewegt und verschmilzt. Astronomen bestätigten dieses Szenario zumindest für manche Gammablitze aus dem Jahr 2017. Hier folgte ein Ausbruch der Ankunft von Gravitationswellen (Krümmungen in der Raumzeit), die bei der Verschmelzung zweier Neutronensterne in 130 Millionen Lichtjahren Entfernung entstanden.

Magnetare sind Neutronensterne mit den stärksten bekannten Magnetfeldern. Sie sind bis zu tausend Mal stärker als die Magnetfelder typischer Neutronensterne und bis zu zehn Billionen Mal stärker als das eines Kühlschrankmagneten. Mittelschwere Störungen am Magnetfeld können bei Magnetaren sporadische Röntgenausbrüche auslösen, die Wochen oder länger andauern.

Selten produzieren Magnetare enorme Eruptionen, die als Riesenflares bezeichnet werden und Gammastrahlen erzeugen – die energiereichste Form von Licht.

Die meisten der 29 bis dato in unserer Milchstraßen-Galaxie katalogisierten Magnetare zeigen gelegentliche Röntgenaktivität, aber nur zwei produzieren Riesenflares. Das neueste Ereignis, registriert am 27. Dezember 2004, produzierte messbare Veränderungen in der oberen Erdatmosphäre, obwohl es von einem Magnetar in 28.000 Lichtjahren Entfernung stammte.

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Video-Link: https://youtu.be/yXYvhYXBeP0

 

Kurz vor 04:42 Uhr Eastern Daylight Time am 15. April 2020 passierte ein kurzer, starker Ausbruch von Röntgen- und Gammastrahlen den Mars und löste den russischen High Energy Neutron Detector an Bord der NASA-Raumsonde Mars Odyssey aus, die den Roten Planeten seit 2001 umkreist. Etwa 6,6 Minuten später löste der Ausbruch das russische Konus-Instrument an Bord des NASA-Satelliten Wind aus, der sich an einem Ort zwischen Erde und Sonne rund 1,5 Millionen Kilometer entfernt befindet. Nach weiteren 4,5 Sekunden passierte die Strahlung die Erde und löste Instrumente an Bord der Weltraumobservatorien Fermi (NASA) und INTEGRAL (ESA) aus, sowie den Atmosphere-Space Interactions Monitor (ASIM) an Bord der Internationalen Raumstation ISS.

Die Eruption fand außerhalb des Blickfeldes des Burst Alert Telescope (BAT) an Bord des Weltraumobservatoriums Swift statt, so dass sein Bordcomputer nicht die Astronomen auf dem Boden benachrichtigte. Dank einer neuen Fähigkeit (Gamma-ray Urgent Archiver for Novel Opportunities (GUANO)), kann das Swift-Team aber BAT-Daten zurückholen, wenn andere Satelliten auf einen Ausbruch reagieren. Die Analyse dieser Daten lieferte weitere Einblicke in das Ereignis. Der Strahlungspuls dauerte nur 140 Millisekunden – so schnell wie ein Augenblinzeln oder ein Fingerschnippen.

Die Missionen Fermi, Swift, Wind, Mars Odyssey und INTEGRAL nehmen alle am InterPlanetary Network (IPN) teil, das Gammablitze lokalisiert. Das IPN gibt es seit den späten 1970er Jahren, wird derzeit vom Fermi-Projekt finanziert und nutzte verschiedene Raumsonden im Sonnensystem. Weil das Signal jeden Detektor zu unterschiedlichen Zeiten erreichte, kann ein beliebiges Paar zweier Missionen helfen, den Ursprungsort eines Ausbruchs am Himmel einzugrenzen. Je größer die Distanzen zwischen den Missionen, desto besser ist die Präzision der Technik.

Das IPN platzierte den Ausbruch vom 15. April 2020, genannt GRB 200415A, etwa in der Zentralregion von NGC 253, einer hellen Spiralgalaxie, die rund 11,4 Millionen Lichtjahre entfernt im Sternbild Sculptor (Bildhauer) liegt. Das ist die bislang genaueste Positionsbestimmung für einen Magnetar jenseits der Großen Magellanschen Wolke, einer Satellitengalaxie unserer Milchstraßen-Galaxie und Heimat des ersten Riesenflares, registriert im Jahr 1979.

Riesenflares von Magnetaren in der Milchstraßen-Galaxie und ihrer Satellitengalaxien entwickeln sich auf besondere Weise: Einem raschen Anstieg auf die Spitzenhelligkeit folgt eine schrittweise Phase fluktuierender Emissionen. Diese Variationen resultieren aus der Rotation des Magnetars, die den Ort des Flares wiederholt ins Blickfeld der Erde und wieder heraus bringt, ähnlich wie ein Leuchtturm.

Die Beobachtung dieser fluktuierenden Phase ist ein überzeugender Beleg für einen Riesenflare. Aus Millionen Lichtjahren Entfernung betrachtet, ist die Emission zu schwach, um mit heutigen Instrumenten direkt beobachtet zu werden. Weil diese Signaturen fehlen, können sich Riesenflares in unserer galaktischen Nachbarschaft als viel weiter entfernte und stärke Gammablitze aufgrund von Neutronensternverschmelzungen tarnen.

Eine detaillierte Analyse von Daten des Fermi Gamma-ray Burst Monitor (GBM) und Swifts BAT liefert starke Belege dafür, dass das Ereignis vom 15. April 2020 wahrscheinlich nicht mit einer Verschmelzung zusammenhing, betonte der Studienleiter Oliver Robers vom Science and Technology Institute in Huntsville der Universities Space Research Association in Alabama.

Insbesondere war dies der erste Riesenflare, der seit dem Start Fermis im Jahr 2008 stattfand, und die Fähigkeit des GBM, Veränderungen im Millisekundenbereich zu erfassen, erwies sich als entscheidend. Die Beobachtungen offenbaren mehrere Pulse, wobei der erste in nur 77 Mikrosekunden erscheint – etwa die 13-fache Geschwindigkeit eines Kamerablitzes und fast 100 Mal schneller als der Anstieg des schnellsten Gammablitzes, der durch eine Verschmelzung erzeugt wurde. Das GBM registrierte auch schnelle Veränderungen der Energie im Verlauf des Flares, die nie zuvor beobachtet wurden.

“Riesenflares innerhalb unserer Galaxie sind so hell, dass sie unsere Instrumente überfordern und ihre Geheimnisse behalten”, sagte Roberts. “GRB 200415A und ferne Flares wie dieser erlauben unseren Instrumenten erstmals, jede Struktur zu registrieren und diese gewaltigen Eruptionen in beispiellosen Details zu erforschen.”

Riesenflares sind nicht gut verstanden, aber Astronomen vermuten, dass sie aus einer plötzlichen Neuausrichtung des Magnetfeldes hervorgehen. Eine Möglichkeit besagt, dass das Magnetfeld hoch über der Oberfläche des Magnetars zu verdreht wird und bei der Neuausrichtung in eine stabilere Konfiguration plötzlich Energie freisetzt. Alternativ könnte auch eine physische Störung auf der Kruste des Magnetars – ein Sternbeben – die plötzliche Neukonfiguration auslösen.

Roberts und seine Kollegen sagen, dass die Daten einige Hinweise auf seismische Vibrationen während der Eruption zeigen. Die energiereichsten vom GBM aufgezeichneten Röntgenstrahlen erreichten drei Millionen Elektronenvolt oder eine Million Mal mehr als die Energie von blauem Licht, was selbst schon ein Rekord für Riesenflares ist. Die Forscher vermuten, dass diese Emission aus einer Wolke ausgestoßener Elektronen und Positronen hervorging, die sich mit 99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit bewegte. Die kurze Dauer der Emission und ihre veränderliche Helligkeit und Energie spiegeln die Rotation des Magnetars wider – sie steigern sich und schwächen sich ab wie die Frontlichter eines Autos, das eine Kehrtwende macht. Roberts beschreibt es als beginnend wie ein blickdichter Fleck, der sich ausdehnt und sich zerstreut.

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Fermis Hauptinstrument, das Large Area Telescope (LAT). Registrierte ebenfalls drei Gammastrahlen mit Energien von 480 Megaelektronenvolt, 1,3 Gigaelektronenvolt und 1,7 Gigaelektronenvolt. Das ist das energiereichste Licht, das jemals von einem Riesenflare eines Magnetars registriert wurde. Überraschend ist, dass all diese Gammastrahlen erschienen, lange nachdem sich der Flare in anderen Instrumenten schon abgeschwächt hatte.

Nicola Omodei, Seniorforscher an der Standord University in Kalifornien, leitete das LAT-Team bei der Untersuchung dieser Gammastrahlen, die zwischen 19 Sekunden und 4,7 Minuten nach dem Hauptereignis eintrafen. Die Wissenschaftler schlussfolgern, dass dieses Signal höchstwahrscheinlich von dem Flare des Magnetars stammt. “Damit das LAT einen zufälligen, kurzen Gammablitz fast zeitgleich mit dem Flare in derselben Himmelsregion registriert, müssten wir durchschnittlich mindestens sechs Millionen Jahre warten”, erklärte er.

Ein Magnetar produziert einen stetigen Strom aus schnellen Teilchen. Während er sich durch den Weltraum bewegt, trifft dieser Strom auf interstellares Gas, verlangsamt sich und pflügt das Gas auseinander. Das Gas wird aufgeheizt, komprimiert und bildet eine Art Schockwelle, die als Bow Shock bezeichnet wird.

In dem Modell des LAT-Teams bewegt sich der erste Gammastrahlungspuls des Flares mit Lichtgeschwindigkeit nach außen, gefolgt von der Wolke aus ausgestoßener Materie, die sich fast genauso schnell bewegt. Sekunden später kollidiert die Teilchenwolke, die sich jetzt zu einer dünnen, großen Hülle ausgedehnt hatte, mit Gas am Bow Shock. Diese Wechselwirkung erzeugt Schockwellen, die Teilchen beschleunigen und die energiereichsten Gammastrahlen nach dem Hauptausbruch produzieren.

Der Flare vom 15. April 2020 belegt, dass diese Ereignisse ihre eigene Klasse von Gammablitzen bilden. Eric Burns, ein Assistenzprofessor für Physik und Astronomie an der Louisiana State University in Baton Rouge, leitete eine Studie, in der mittels Daten zahlreicher Missionen weitere Kandidaten untersucht wurden. Die Ergebnisse werden in den Astrophysical Journal Letters erscheinen. Ausbrüche nahe der Galaxie M81 im Jahr 2005 und bei der Andromeda-Galaxie M31 im Jahr 2007 wurden bereits als Riesenflares vorgeschlagen, und das Team identifizierte einen weiteren Flare in der Galaxie M83, ebenfalls aus dem Jahr 2007, aber neu untersucht. Dazu kommen der Riesenflare von 1979 und jene in unserer Milchstraßen-Galaxie von 1998 und 2004.

“Es ist eine kleine Stichprobe, aber wir haben jetzt einen besseren Eindruck ihrer wahren Energien und der Entfernungen, in denen wir sie registrieren können”, sagte Burns. “Ein paar Prozent der kurzen Gammablitze könnten tatsächlich Riesenflares von Magnetaren sein. Sie könnten die häufigsten hochenergetischen Ausbrüche sein, die wir bislang jenseits unserer Galaxie registriert haben – etwa fünfmal häufiger als Supernovae.

Quelle

(THK)

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