Ein neues Werkzeug soll mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) Wissenschaftlern erlauben, genauere Vorhersagen der Bedingungen am arktischen Meereis bis mehrere Monate in die Zukunft zu machen. Die verbesserten Vorhersagen können neue Frühwarnsysteme unterstützen, die die Tierwelt und die Küstensiedlungen der Arktis vor den Auswirkungen des Meereisverlusts schützen.
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des British Antarctic Survey (BAS) und des Alan Turing Institute beschreibt in einer Studie, wie das KI-System namens IceNet die Herausforderung angeht, genaue Vorhersagen bezüglich des arktischen Meereises für die kommende Saison zu treffen – etwas, das sich Wissenschaftler seit Jahrzehnten entzogen hat. Die Studie wurde am 26. August 2021 im Journal Nature Communications veröffentlicht.
Meereis, eine ausgedehnte Schicht aus gefrorenem Meerwasser, die an den Polen vorkommt, ist sehr schwer vorherzusagen, weil es komplexe Wechselwirkungen mit der Atmosphäre darüber und dem Ozean darunter aufweist. Die Empfindlichkeit des Meereises gegenüber steigenden Temperaturen hat das sommerliche arktische Meereis in den letzten 40 Jahren auf die Hälfte schrumpfen lassen. Das entspricht dem Verlust einer Fläche rund 25 Mal größer als Großbritannien. Diese beschleunigenden Veränderungen haben dramatische Folgen für unser Klima, für die Ökosysteme in der Arktis und auf einheimische und lokale Gemeinschaften, deren Lebensgrundlagen an den saisonalen Meereiszyklus gebunden sind.
Das KI-System IceNet hat eine 95-prozentige Genauigkeit bei der Vorhersage, ob das Meereis in zwei Monaten vorhanden sein wird – das ist besser als das gängige auf Physik basierende Modell.
“Die Arktis ist eine Region an der Frontlinie des Klimawandels und erfuhr in den letzten 40 Jahren eine deutliche Erwärmung. IceNet hat das Potenzial, eine klaffende Lücke bei der Vorhersage des arktischen Meereises zwecks Erhaltungsbemühungen zu schließen und arbeitet tausende Male schneller als traditionelle Methoden”, sagte der Hauptautor Tom Andersson, Data Scientist am AI Lab des British Antarctic Survey.
“Ich bin gespannt zu sehen, wie künstliche Intelligenz uns überdenken lässt, wie wir Umweltforschung betreiben. Unser neues Rahmenwerk zur Vorhersage des Meereises kombiniert Satellitendaten mit den Ergebnissen von Klimamodellen auf eine Weise, die traditionelle Systeme einfach nicht erreichen konnten”, sagte Dr. Scott Hosking, Co-Leiter des AI Lab und Senior Research Fellow am Alan Turing Institute.
Video-Link: https://youtu.be/lzJA7r0oNcg
Im Gegensatz zu konventionellen Vorhersagesystemen, die versuchen, die Gesetze der Physik direkt zu modellieren, entwarfen die Autoren IceNet auf Grundlage eines Konzepts, das als Deep Learning bezeichnet wird. Durch diesen Ansatz “lernt” das Modell aus tausenden Jahren Klimasimulationsdaten und Jahrzehnten an Beobachtungsdaten, wie sich das Meereis verändert, um das Ausmaß des arktischen Meereises monatelang in die Zukunft vorherzusagen.
“Jetzt, da wir demonstriert haben, dass künstliche Intelligenz das Meereis genau vorhersagen kann, besteht unser nächstes Ziel darin, eine tägliche Version des Modells zu entwickeln und es frei zugänglich in Echtzeit laufen zu lassen, genau wie Wettervorhersagen. Das könnte als Frühwarnsystem für Risiken dienen, die mit einem schnellem Verlust des Meereises einhergehen”, schlussfolgerte Andersson.
(THK)
Antworten