Forscher der University of California in Boulder haben eine beispiellose “Sezierung” zweier Galaxien in den letzten Stadien ihres Verschmelzungsprozesses abgeschlossen. Die neue Studie unter Leitung von Francisco Müller-Sánchez untersucht eine Galaxie mit der Katalogbezeichnung NGC 6240. Während die meisten Galaxien im Universum nur ein supermassives Schwarzes Loch in ihrem Zentrum beherbergen, enthält NGC 6250 zwei – und sie umkreisen einander in den letzten Zügen, bevor sie kollidieren.
Die Forschungsarbeit zeigt, wie die Gase, die von den aufeinanderzuspiralenden Schwarzen Löchern abgestoßen werden, zusammen mit den von den Sternen in der Galaxie emittierten Gasen damit begonnen haben könnten, die Produktion neuer Sterne in NGC 6240 zu bremsen. Müller-Sánchez’ Team demonstriert auch, dass diese “Winde” geholfen haben könnten, das hervorstechendste Merkmal von NGC 6240 zu erschaffen: eine massereiche Gaswolke mit der Form eines Schmetterlings.
“Wir haben den Schmetterling seziert”, sagte Müller-Sánchez vom Department of Astrophysical and Planetary Sciences (APS) an der University of California in Boulder. “Dies ist die erste Galaxie, in der wir gleichzeitig sowohl den Wind der beiden supermassiven Schwarzen Löcher als auch die Abströmungen von gering ionisiertem Gas aus den Sternentstehungsprozessen sehen können.”
Galaxien wie NGC 6240, die zwei gut genährte supermassive Schwarze Löcher – sogenannte aktive galaktische Kerne – enthalten, sind relativ selten. Sie haben jedoch viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil sie einen Schnappschuss eines wichtigen Stadiums in der Entwicklung von Galaxien wie unserer eigenen Milchstraßen-Galaxie darstellen. Wissenschaftler vermuten, dass solche Galaxien durch die Verschmelzung zweier “Elterngalaxien” entstehen.
Aber NGC 6240 sei noch in anderer Hinsicht seltsam, sagte Müller-Sánchez. Im Gegensatz zur Milchstraßen-Galaxie, die über eine vergleichsweise geordnete Scheibe verfügt, schießen aus NGC 6240 Blasen und Gasjets hervor, die sich 30.000 Lichtjahre weit in den Weltraum erstrecken und an einen fliegenden Schmetterling erinnern. Wissenschaftler haben vermutet, dass diese Schmetterlingsstruktur mit den beiden Herzen der Galaxie zusammenhängen könnte. “Galaxien mit einem einzigen aktiven galaktischen Kern zeigen nie solch eine phänomenale Struktur”, sagte er.
Zur Überprüfung der Theorie kombinierten die Forscher und ihre Kollegen Beobachtungen von drei verschiedenen Teleskopen: dem Weltraumteleskop Hubble, dem Very Large Telescope (VLT) in Chile und dem Apache Point Observatory in New Mexico, das von einem Universitäten-Zusammenschluss betrieben wird, darunter der University of California in Boulder.
Im Rahmen der heute im Journal Nature veröffentlichten Ergebnisse entdeckte das Team, dass zwei unterschiedliche Kräfte den Nebel erschaffen haben. Der nordwestliche Bereich des Schmetterlings ist beispielsweise die Folge stellarer Winde oder Gase, die die Sterne aufgrund vielfältiger Prozesse emittieren. Der nordöstliche Bereich hingegen wird von einer einzigen kegelförmigen Gasstruktur dominiert, die von den beiden Schwarzen Löchern abgestoßen wurde. Dies ist die Folge, wenn die Schwarzen Löcher während ihres Verschmelzungsprozesses große Mengen galaktischen Staubs aufnehmen.
“Die Daten dieser drei Teleskope ermöglichten uns, die Position und Geschwindigkeit verschiedener Gastypen in der Galaxie zu bestimmen”, sagte Rebecca Nevin, eine Doktorandin am APS und Co-Autorin der Abhandlung. “Das half uns dabei, zwei Arten von Winden zu erkennen: einer wird von den beiden supermassiven Schwarzen Löchern erzeugt und einer entsteht durch die Sternbildungsprozesse.”
Diese beiden Winde blasen zusammen jedes Jahr rund 100 Sonnenmassen in der Form von Gasen aus der Galaxie heraus. Das ist Müller-Sánchez zufolge ein “sehr hoher Wert, vergleichbar mit der Rate, mit der die Galaxie in der Kernregion Sterne produziert.”
Ein derartiges Wegströmen kann große Auswirkungen auf die Galaxie selbst haben. Wenn zwei Galaxien miteinander verschmelzen, beginnt eine furiose Phase neuer Sternentstehungsprozesse. Schwarze Löcher und stellare Winde können diesen Prozess jedoch verlangsamen, indem sie die Gase wegblasen, die für neue Sterne benötigt werden – ähnlich wie ein Windstoß den Haufen Laub wegblasen kann, den man gerade zusammengeharkt hat. Das Team vermutet, dass sie den Beginn eines solchen “negativen Feedbacks” auf die Sternentstehungsprozesse in NGC 6240 beobachten.
“NGC 6240 befindet sich in einer einzigartigen Phase ihrer Entwicklung”, sagte Julie Comerford, eine Assistenzprofessorin am APS und Co-Autorin der neuen Studie. “Sie bildet jetzt intensiv neue Sterne, deshalb braucht sie den extrastarken Stoß der beiden Winde, um diese Sternentstehungsprozesse herunterzufahren und sich in eine weniger aktive Galaxie zu entwickeln.”
Die anderen Co-Autoren der Studie sind Richard Davies vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Deutschland, Ezequiel Treister von der Pontifical Catholic University of Chile und George Privon von der University of Florida.
(THK)
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