Vor 17 Jahren wurden Astronomen Zeugen einer Supernova, die rund 40 Millionen Lichtjahre entfernt in der Galaxie NGC 7424 im südlichen Sternbild Grus (Kranich) stattfand. Jetzt hat das Weltraumteleskop Hubble im abklingenden Nachglühen dieser Explosion das erste Bild eines Begleiters gemacht, der eine Supernova überstanden hat. Dieses Bild ist der überzeugendste Beleg dafür, dass manche Supernovae ihren Ursprung in Doppelsternsystemen haben.
„Wir wissen, dass die Mehrheit der massereichen Sterne in Doppelsternsystemen zu finden ist“, sagte Stuart Ryder vom Australian Astronomical Observatory (AAO) in Sydney, der Hauptautor der Studie. „In vielen dieser Doppelsternsysteme wird es Interaktionen geben, wobei Gas von einem Stern auf den anderen übertragen wird, wenn ihre Umlaufbahnen sie nahe zusammenbringen.“
Der Begleiter des Vorläufersterns der Supernova war kein unbeteiligter Zuschauer der Explosion. Er zog fast den gesamten Wasserstoff aus der stellaren Hülle des Vorläufersterns – das ist die Region, in der die Energie aus dem Kern des Sterns in seine Atmosphäre transportiert wird. Millionen Jahre, bevor der Hauptstern als Supernova explodierte, schuf der Diebstahl des Begleiters eine Instabilität in dem Hauptstern. Das führte dazu, dass der Hauptstern vor der Katastrophe episodisch einen Kokon und Hüllen aus Wasserstoffgas abstieß.
Die Supernova namens SN 2001ig ist als Stripped-Envelope Supernova des Typs IIb klassifiziert. Dieser Supernovatyp ist ungewöhnlich, weil der Stern vor der Explosion den Großteil des Wasserstoffs, wenn auch nicht den gesamten, verloren hat. Dieser Typ wurde erstmals 1987 vom Teammitglied Alex Filippenko von der University of California in Berkeley identifiziert.
Wie Stripped-Envelope Supernovae diese äußere Hülle verlieren, ist nicht ganz klar. Ursprünglich vermutete man, dass diese Supernovae aus Einzelsternen mit sehr schnellen Winden hervorgehen, welche die äußeren Hüllen wegdrückten. Das Problem war folgendes: Als Astronomen nach den Hauptsternen zu suchen begannen, aus denen Supernovae hervorgingen, konnten sie bei vielen Stripped-Envelope Supernovae keinen finden.
„Das war besonders merkwürdig, weil Astronomen erwartet hatten, dass sie die massereichsten und hellsten Vorläufersterne finden würden“, erklärte das Teammitglied Ori Fox vom Space Telescope Science Institute in Baltimore. „Auch die schiere Anzahl an Stripped-Envelope Supernovae ist größer als vorhergesagt.“ Diese Tatsache führte die Wissenschaftler zu der Vermutung, dass viele der Hauptsterne in Doppelsternsystemen mit geringerer Masse vorliegen, und sie machten sich an die Arbeit, das zu belegen.
Die Suche nach einem Begleitstern nach einer Supernova-Explosion ist keine leichte Aufgabe. Er muss relativ nahe an der Erde sein, damit Hubble einen so schwachen Sternen beobachten kann. Die Supernova SN 2001ig und ihr Begleitstern liegen an der Grenze. Innerhalb dieses Entfernungsbereichs explodieren nicht viele Supernovae. Noch wichtiger ist der Umstand, dass Astronomen die exakte Position anhand sehr präziser Messungen kennen müssen.
Im Jahr 2002, kurz nach der Explosion von SN 2001ig, maßen Wissenschaftler die exakte Position der Supernova mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte auf dem Gipfel des Cerro Paranal in Chile. Im Jahr 2004 führten sie Nachfolgebeobachtungen mit dem Gemini South Observatory auf dem Cerro Pachón in Chile durch. Diese Beobachtungen wiesen erstmals auf die Präsenz eines überlebenden Begleitsterns hin.
Weil die exakten Koordinaten bekannt waren, konnten Ryder und sein Team zwölf Jahre später, nachdem das Nachglühen abgeklungen war, das Hubble-Teleskop auf die Position ausrichten. Mit Hubbles außergewöhnlichem Auflösungsvermögen und seiner Fähigkeit, Beobachtungen im Ultraviolettbereich zu machen, waren die Forscher imstande, den überlebenden Begleitstern zu finden und zu abzubilden – etwas, das nur Hubble tun konnte.
Vor der Supernova-Explosion brauchten die beiden Sterne etwa ein Jahr für eine gegenseitige Umkreisung. Als der Hauptstern explodierte, hatte das weit weniger Auswirkungen auf den überlebenden Begleitstern als man annehmen würde. Man stelle sich einen Avocadokern vor (der den dichten Kern des Begleitsterns darstellt), welcher in ein Gelatinedessert eingebettet ist (das die Gashülle des Sterns repräsentiert). Wenn eine Schockwelle die Gelatine durchquert, mag sie vielleicht vorübergehend gedehnt werden und wackeln, aber der Avocadokern würde intakt bleiben.
Im Jahr 2014 nutzen Fox und sein Team das Hubble-Teleskop, um den Begleitstern einer anderen Typ-IIb-Supernova namens SN 1993J nachzuweisen. Allerdings erstellten sie nur ein Spektrum, kein Bild. Der Fall von SN 2001ig ist das erste Mal, dass ein überlebender Begleitstern fotografiert wurde. „Wir waren endlich in der Lage, den stellaren Dieb dingfest zu machen, was unsere Vermutungen bestätigte, laut denen es dort einen geben musste“, sagte Filippenko.
Möglicherweise besitzt jede zweite aller Stripped-Envelope Supernovae einen Begleitstern – die andere Hälfte verliert ihre äußeren Hüllen durch stellare Winde. Ryder und sein Team haben das Ziel, präzise zu bestimmen, wie viele Stripped-Envelope Supernovae einen Begleitstern haben.
Ihre nächste Aufgabe besteht darin, vollständig wasserstofflose Stripped-Envelope Supernovae zu beobachten, im Gegensatz zu SN 2001ig und SN 1993J, die nur 90 Prozent des Wasserstoffs verloren hatten. Diese kompletten Stripped-Envelope Supernovae zeigen nicht viele Schockwelleninteraktionen mit Gas in der stellaren Umgebung, weil ihre äußeren Hüllen lange vor der Explosion verloren gingen. Ohne Schockwelleninteraktionen klingen sie viel schneller ab. Das bedeutet, dass das Team nur zwei bis drei Jahre warten muss, um nach überlebenden Begleitsternen zu suchen.
Für die Zukunft hoffen die Wissenschaftler auch, das James Webb Space Teleskope für die Fortsetzung ihrer Suche nutzen zu können. Die Abhandlung über die aktuelle Forschungsarbeit des Teams wurde am 28. März 2018 im Astrophysical Journal veröffentlicht.
Das Weltraumteleskop Hubble ist ein Projekt internationaler Zusammenarbeit zwischen der NASA und der ESA. Das Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland) betreibt das Teleskop. Das Space Telescope Science Institute (STScI) in Baltimore (Maryland) führt die wissenschaftlichen Operationen Hubbles durch. Das STScI wird von der Association of Universities for Research in Astronomy in Washington, D.C. für die NASA geleitet.
(THK)
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