
Eine ungewöhnliche Infrarotemission eines nahen Neutronensterns, registriert vom Weltraumteleskop Hubble, weist auf nie zuvor beobachtete Strukturen hin. Einer Möglichkeit zufolge könnte es dort eine Staubscheibe geben, die den Neutronenstern umkreist. Eine andere Möglichkeit besagt, dass es dort einen energiereichen Wind gibt, der von dem Objekt ausgeht und auf Gas des interstellaren Mediums prallt, durch das sich der Neutronenstern bewegt.
Obwohl Neutronensterne normalerweise in Radio- und hochenergetischen Wellenlängen wie Röntgenstrahlen untersucht werden, demonstriert diese Studie, dass neue und interessante Informationen über Neutronensterne auch aus Beobachtungen in infraroten Wellenlängen hervorgehen können.
Die Beobachtung von einem Team aus Forschern der Pennsylvania State University (University Park, Pennsylvania), der Sabanci University (Istanbul, Türkei) und der University of Arizona (Tucson, Arizona) könnte Astronomen helfen, die Entwicklung von Neutronensternen besser zu verstehen.
Neutronensterne sind unglaublich dichte Überreste eines Sterns, der als Supernova explodiert ist. Wenn sie sehr schnell rotieren (üblicherweise in Bruchteilen von Sekunden und in diesem Fall in elf Sekunden), werden sie auch als Pulsare bezeichnet. Ihre schnelle Rotation erzeugt dann zeitabhängige Emissionen von charakteristischen Regionen, die Strahlung abgeben. (Anm. d. Red.: An dieser Stelle wird oft der Vergleich zu dem rotierenden Strahl eines Leuchtturms gezogen.)
Eine Abhandlung, die die Forschungsarbeit und die zwei möglichen Erklärungen für die ungewöhnlichen Beobachtungen beschreibt, erschien am 17. September 2018 im Astrophysical Journal.
„Dieser besondere Neutronenstern gehört zu einer Gruppe von sieben nahen Röntgenpulsaren, die den Spitznamen „The Magnificent Seven“ (etwa: „Die prachtvollen Sieben“) bekommen haben. Hinsichtlich ihres Alters und ihres verfügbaren Energiereservoirs aufgrund des Verlusts von Rotationsenergie sind sie heißer als sie sein sollten“, sagte Bettina Posselt. Sie ist außerordentliche Professorin für Astronomie und Astrophysik an der Pennsylvania State University und die Hauptautorin der Abhandlung. „Wir beobachteten eine ausgedehnte Region aus Infrarotemissionen um diesen Neutronenstern namens RX J0806.4-4123, deren Gesamtgröße in der vermuteten Entfernung des Pulsars etwa 200 Astronomischen Einheiten (circa 29 Milliarden Kilometer) entspricht.“
Dies ist der erste Neutronenstern, bei dem ein ausgedehntes Signal nur im Infrarotbereich beobachtet wurde. Die Forscher schlagen zwei Möglichkeiten vor, die das von Hubble registrierte ausgedehnte Infrarotsignal erklären könnten. Die erste besagt, dass es dort eine Materiescheibe gibt, die möglicherweise größtenteils aus Staub besteht und den Pulsar umgibt.
„Eine Theorie ist, dass es dort eine sogenannte ‚Fallback Disk‘ aus Materie geben könnte, die sich nach der Supernova um den Neutronenstern ansammelte“, sagte Posselt. „Eine solche Scheibe würde aus Materie des massereichen Vorläufersterns bestehen. Ihre nachfolgende Interaktion mit dem Neutronenstern könnte den Pulsar aufgeheizt und seine Rotation verlangsamt haben. Wenn es als Fallback Disk einer Supernova bestätigt wird, könnte dieses Ergebnis unser allgemeines Wissen über die Entwicklung von Neutronensternen verändern.“
Die zweite mögliche Erklärung für die ausgedehnten Infrarotemissionen dieses Neutronensterns ist ein Pulsarwindnebel. „Ein Pusarwindnebel würde erfordern, dass der Neutronenstern einen Pulsarwind besitzt“, sagte Posselt. „Ein Pulsarwind kann entstehen, wenn Teilchen in dem elektrischen Feld beschleunigt werden, welches durch die schnelle Rotation eines Neutronensterns mit einem starken Magnetfeld verursacht wird. Weil sich der Neutronenstern schneller als mit Schallgeschwindigkeit durch das interstellare Medium bewegt, kann dort, wo das interstellare Medium und der Pulsarwind interagieren, eine Schockwelle entstehen. Die betreffenden Teilchen würden dann Synchrotronstrahlung emittieren und das ausgedehnte Infrarotsignal erzeugen, das wir beobachten. Normalerweise werden Pulsarwindnebel im Röntgenbereich beobachtet und ein Pulsarwindnebel, der nur im Infrarotbereich registriert wird, wäre sehr ungewöhnlich und spannend.“
Mit dem kommenden James Webb Space Telescope werden Astronomen in der Lage sein, dieses Gebiet im Infrarotbereich weiter zu erforschen, um die Entwicklung von Neutronensternen besser zu verstehen.
Neben Posselt gehörten auch noch folgende Forscher zu dem Team: George Pavlov und Kevin Luhman (Pennsylvania State University), Ünal Ertan und Sirin Çaliskan (Sabanci University) sowie Christina Williams (University of Arizona). Die Forschungsarbeit wurde von der NASA, dem Scientific and Technological Research Council of Turkey, der U.S. National Science Foundation, der Pennsylvania State University, dem Penn State Eberly College of Science und dem Pennsylvania Space Grant Consortium unterstützt.
Das Weltraumteleskop Hubble ist ein Projekt internationaler Zusammenarbeit zwischen der NASA und der ESA. Das Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland) betreibt das Teleskop. Das Space Telescope Science Institute (STScI) in Baltimore (Maryland), führt die wissenschaftlichen Operationen Hubbles durch. Das STScI wird von der Association of Universities for Research in Astronomy in Washington, D.C. für die NASA betrieben.
(THK)
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