PSR J0002+6216: Fermi misst einen neuen Hochgeschwindigkeits-Pulsar

Der Supernova-Überrest CTB 1 ist die blasenförmige Struktur. Der schmale Schweif des Pulsars J0002 ist deutlich erkennbar. (Credits: Composite by Jayanne English, University of Manitoba, using data from NRAO / F. Schinzel et al., DRAO / Canadian Galactic Plane Survey and NASA / IRAS)
Der Supernova-Überrest CTB 1 ist die blasenförmige Struktur. Der schmale Schweif des Pulsars J0002 ist deutlich erkennbar. (Credits: Composite by Jayanne English, University of Manitoba, using data from NRAO / F. Schinzel et al., DRAO / Canadian Galactic Plane Survey and NASA / IRAS)

Astronomen haben einen Pulsar gefunden, der mit rund vier Millionen Kilometern pro Stunde durch den Weltraum rast – so schnell, dass er die Entfernung zwischen Erde und Mond in nur sechs Minuten zurückgelegen könnte. Die Entdeckung wurde mit dem NASA-Weltraumteleskop Fermi und dem Karl G. Jansky Very Large Array (VLA) der National Science Foundation gemacht.

Pulsare sind superdichte, rasch rotierende Neutronensterne, die bei der Explosion eines massereichen Sterns zurückbleiben. Dieses Exemplar mit der Katalogbezeichnung PSR J0002+6216 (kurz J0002) besitzt einen Radiowellen emittierenden Schweif, der direkt in Richtung der expandierenden Überreste einer kürzlichen Supernova-Explosion zeigt.

“Dank seines schmalen, pfeilartigen Schweifs und eines vorteilhaften Beobachtungswinkels können wir diesen Pulsar bis an seinen Entstehungsort zurückverfolgen”, sagte Frank Schinzel, ein Wissenschaftler am National Radio Astronomy Observatory (NRAO) in Socorro (New Mexico). “Die weitere Untersuchung dieses Objekts wird uns helfen besser zu verstehen, wie diese Explosionen imstande sind, Neutronensterne mit so hohen Geschwindigkeiten ‘anzustoßen’.”

Schinzel präsentierte die Entdeckung zusammen mit seinen Kollegen Matthew Kerr (U.S. Naval Research Laboratory in Washington) sowie Dale Frail, Urvashi Rau und Sanjay Bhatnagar (NRAO) auf dem Treffen der High Energy Astrophysics Division der American Astronomical Society in Monterey (Kalifornien). Eine Abhandlung, die die Ergebnisse des Teams beschreibt, wurde zur Veröffentlichung in einer zukünftigen Ausgabe der Astrophysical Journal Letters eingereicht.

Der Pulsar J0002 wurde 2017 von einem Bürgerwissenschaftsprojekt namens Einstein@Home entdeckt, das Rechenzeit auf den Computern von Freiwilligen verwendet, um Gamma-Beobachtungsdaten Fermis zu verarbeiten. Dank einer Gesamtrechenzeit von mehr als 10.000 Jahren hat das Projekt bislang 23 Gammapulsare identifiziert. J0002 liegt etwa 6.500 Lichtjahre entfernt im Sternbild Cassiopeia und rotiert 8,7 Mal pro Sekunde. Dabei produziert er mit jeder Umdrehung eine Gammastrahlenpuls.

Der Pulsar ist ungefähr 53 Lichtjahre vom Zentrum eines Supernova-Überrests namens CTB 1 entfernt. Seine rasche Bewegung durch das interstellare Gas resultiert in Schockwellen, die den Schweif aus magnetischer Energie und beschleunigten Teilchen erzeugen, welcher mit dem VLA im Radiowellenlängenbereich registriert wurde. Der Schweif ist 13 Lichtjahre lang und zeigt klar in Richtung des Zentrums von CTB 1.

Mit Fermi-Daten und einer Technik, die als Pulsar-Timing bezeichnet wird, konnte das Team messen, wie schnell und in welche Richtung sich der Pulsar in Bezug auf unsere Sichtlinie bewegt. “Je umfangreicher der Datensatz, desto leistungsfähiger ist die Pulsar-Timing-Technik”, sagte Kerr. “Fermis zehn Jahre umfassender Datensatz ist genau das, was diese Messung möglich machte.”

Die Ergebnisse unterstützen die Theorie, dass der Pulsar durch die für CTB 1 verantwortliche Supernova auf diese hohe Geschwindigkeit katapultiert wurde. Die Supernova fand vor etwa 10.000 Jahren statt. J0002 rast fünfmal schneller durch den Raum als ein durchschnittlicher Pulsar und schneller als 99 Prozent aller Pulsare mit gemessenen Geschwindigkeiten. Letztendlich wird er unsere Galaxie verlassen.

Zunächst expandierten die Überreste der Supernova schneller nach außen als J0002, aber im Verlauf tausender Jahre verursachte die Wechselwirkung der Hülle mit dem interstellarem Gas eine stetige Verlangsamung dieser Bewegung. In der Zwischenzeit verhielt sich der Pulsar ähnlich wie eine Kanonenkugel – er raste weiter durch den Überrest und brach rund 5.000 Jahre nach der Explosion aus ihm heraus.

Wie genau der Pulsar bei der Supernova-Explosion auf eine so hohe Geschwindigkeit beschleunigt wurde, bleibt unklar. Weitere Untersuchungen von J0002 werden helfen, Licht auf den Prozess zu werfen. An einem möglichen Mechanismus sind Instabilitäten in dem kollabierenden Stern beteiligt, die eine Region aus dichter, langsamer Materie bildeten. Diese Region überlebte demnach lange genug, um als “gravitativer Schlepper” zu dienen und den nachfolgenden Neutronenstern in ihre Richtung zu beschleunigen.

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Video-Link: https://youtu.be/5pGXqrovaFo

Das Team plant weitere Beobachtungen mit dem VLA, dem Very Long Baseline Array (VLBA) der National Science Foundation und mit dem NASA-Weltraumteleskop Chandra. Das National Radio Astronomy Observatory ist eine Einrichtung der National Science Foundation und wird im Rahmen eines Kooperationsvertrags von Associated Universities, Inc geleitet.

Das Fermi Gamma-ray Space Telescope ist eine Partnerschaft der Fachbereiche Astrophysik und Teilchenphysik unter Leitung des Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland). Fermi wurde in Zusammenarbeit mit dem US-Energieministerium entwickelt, mit wichtigen Beiträgen von akademischen Einrichtungen und Partnern in Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Schweden und den Vereinigten Staaten.

Quelle

(THK)

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