Wissenschaftler haben erstmals überzeugende Belege dafür gefunden, dass die RNA und DNA aus demselben Satz an Vorläufermolekülen hervorgegangen sein könnte, sogar bevor das Leben auf der Erde vor vier Milliarden Jahren entstand. Die Entdeckung wurde am 1. April 2019 im Journal Nature Chemistry veröffentlicht und spricht dafür, dass die ersten lebenden Dinge auf der Erde sowohl RNA und DNA genutzt haben könnten, so wie alle zellbasierten Lebensformen es heute tun. Im Gegensatz dazu besagt die vorherrschende wissenschaftliche Ansicht – die „RNA-Welt-Hypothese“ -, dass die frühen Lebensformen rein auf der RNA basierten und sich erst später weiterentwickelten, um DNA zu produzieren und zu nutzen.
„Diese neuen Ergebnisse lassen darauf schließen, dass es für Chemiker möglicherweise nicht begründbar ist, bei der Erforschung vom Ursprung des Lebens auf der Erde so stark von der RNA-Welt-Hypothese geleitet zu werden“, sagte der Co-Leiter der Studie, Dr. Ramanarayanan Krishnamurthy, außerordentlicher Professor für Chemie bei Scripps Research.
Krishnamurthy und sein Labor arbeiteten zusammen mit dem Labor von Dr. John Sutherland vom Laboratory of Molecular Biology in Cambridge (Großbritannien) an der Studie. Gemeinsam sind sie Teil der in New York sitzenden Collaboration of the Origins of Life der Simons Foundation.
RNA (Ribonukleinsäure) und DNA (Desoxyribonukleinsäure) sind chemisch sehr ähnlich, aber Chemiker konnten nie zeigen, auf der jungen Erde die eine in die andere umgewandelt wurde – nur mit der Hilfe von Enzymen, die von frühen Organismen produziert wurden. Zum Teil aufgrund dieses Mangels eines präbiotischen chemischen Pfades, der die RNA und die DNA verbindet, tendierten Wissenschaftler auf diesem Gebiet dazu zu denken, dass die einfachere, vielseitigere RNA die Grundlage für die ersten Lebensformen war – oder zumindest für ein Frühstadium des Lebens vor dem Auftauchen der DNA. Die RNA kann genetische Informationen speichern, wie es die DNA kann, ist in der Lage, biochemische Reaktionen zu katalysieren, wie Proteinenzyme es können, und könnte auch die grundlegenden biologischen Aufgaben ausgeführt haben, die in den ersten Lebensformen notwendig waren.
Obwohl Forscher in den letzten Jahrzehnten die RNA-Welt-Hypothese größtenteils umarmten, haben Sutherland, Krishnamurthy und Jack Szostack (Harvard University) zunehmend Belege dafür, dass die RNA und die DNA mehr oder weniger auf einmal in den ersten Lebensformen auftauchten. Beispielsweise identifizierten Krishnamurthy und Kollegen von Scripps Research in einer Studie aus dem Jahr 2017 eine Verbindung, die auf der präbiotischen Erde plausiblerweise vorhanden war und die entscheidende Aufgabe durchgeführt haben könnte, die RNA-Bausteine zu den größeren, kettenähnlichen RNA-Strängen zu verbinden. Sie könnte dasselbe mit den Bausteinen der DNA und mit Proteinen getan haben.
In der neuen Studie kombinierten die Wissenschaftler Einblicke aus dieser Untersuchung mit neuen Ergebnisse von Sutherland bezüglich einer Verbindung namens Thiouridin. Diese Verbindung war wahrscheinlich auf der Erde vor der Entstehung des Lebens präsent und könnte ein chemischer Vorläufer der Nukleosid-Bausteine von früher RNA gewesen sein.
Die Forscher zeigten, dass sie diesen Vorläufer eines RNA-Bausteins in wenigen chemischen Reaktionsschritten (die in einer präbiotischen Welt durchaus stattgefunden haben könnten) in einen DNA-Baustein umwandeln konnten. Dabei handelte es sich um Desoxyadenosin, das den Buchstaben „A“ in dem modernen DNA-Code mit vier Buchstaben darstellt. Alternativ konnten sie Thiouridin in Desoxyribose umwandeln, was sehr eng mit Desoxyadenosin verwandt ist und ebenfalls ein Vorläufer früher DNA-Bausteine gewesen sein könnte.
Das Ergebnis sollte es Wissenschaftlern leichter machen, die Möglichkeit zu akzeptieren, dass die DNA und die RNA zusammen entstanden und in den ersten Lebensformen implementiert wurde. Einige Forscher, darunter Sutherland, haben vorgeschlagen, dass die RNA und die DNA sogar zusammengemischt worden sein könnten, um die erste Gene zu bilden. Es ist derzeit kein solcher natürlich auftretender Organismus bekannt, aber eine neue Studie von Dr. Peter Schultz von Scripps Research und Kollegen beschreibt ein künstlich verändertes Bakterium, das mit Genen aus einem RNA/DNA-Gemisch überleben kann.
Krishnamurthy vermutet, dass die RNA und die DNA mit ihren jeweiligen Stärken und Schwächen selbst zu der recht strikten Arbeitsteilung gelangten, die wir heute in allen Zellen sehen: DNA für die stabile, langfristige Speicherung genetischer Informationen und RNA für ihre eigenen speziellen Aufgaben, darunter die kurzzeitige Speicherung und den Transport genetischer Informationen und die Bildung von Proteinen.
„Es ist der Beginn dessen, auf diesem Gebiet zu erkennen, dass die RNA und die DNA anfangs zusammengemischt worden sein könnten, aber sich später trennten, um das zu tun, was sie am besten können“, sagte Krishnamurthy.
Abhandlung: „Prebiotic Phosphorylation of 2-Thiouridine Provides Either Nucleotides or DNA Building Blocks via Photoreduction“ von Jianfeng Xu, Nicholas Green und John Sutherland (MRC), sowie Clémentine Gibard und Ramanarayanan Krishnamurthy (Scripps Research).
(THK)
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