Das bisher schärfste Bild des massereichsten bekannten Sterns R136a1

Das bisher schärfste Bild des Riesensterns R136a1, aufgenommen vom Gemini South Telescope. (Credits: International Gemini Observatory / NOIRLab / NSF / AURA; Acknowledgment: Image processing: T.A. Rector (University of Alaska Anchorage / NSF’s NOIRLab), M. Zamani (NSF’s NOIRLab) & D. de Martin (NSF’s NOIRLab))
Das bisher schärfste Bild des Riesensterns R136a1, aufgenommen vom Gemini South Telescope. (Credits: International Gemini Observatory / NOIRLab / NSF / AURA; Acknowledgment: Image processing: T.A. Rector (University of Alaska Anchorage / NSF’s NOIRLab), M. Zamani (NSF’s NOIRLab) & D. de Martin (NSF’s NOIRLab))

Eine bahnbrechende Beobachtung des Gemini Observatory spricht dafür, dass der Riesenstern R136a1 und möglicherweise auch andere Riesensterne weniger massereich sind als bislang angenommen.

Durch Nutzung der Möglichkeiten des 8,1-Meter Gemini South Telescope in Chile haben Astronomen das bislang schärfste Bild des Sterns R136a1 aufgenommen, dem massereichsten Stern im bekannten Universum. Ihre Studie unter Leitung des Astronomen Venu M. Kalari vom NOIRLab stellt unser Wissen über die massereichsten Sterne infrage und deutet darauf hin, dass sie möglicherweise nicht so massereich sind wie bisher angenommen. Das Gemini South Telescope ist Teil des vom NOIRLab der National Science Foundation betriebenen International Gemini Observatory.

Astronomen müssen noch vollständig verstehen, wie die massereichsten Sterne (jene mit mehr als 100 Sonnenmassen) entstehen. Ein besonders schwieriges Teil dieses Puzzles ist die Durchführung von Beobachtungen dieser Riesensterne, die sich typischerweise in den dicht besiedelten Zentren von Sternhaufen befinden, welche hinter Staub verborgen liegen. Außerdem existieren Riesensterne nicht lange und sterben jung: Sie verbrennen ihren Wasserstoffvorrat in nur wenigen Millionen Jahren. Zum Vergleich: Unsere Sonne hat noch nicht einmal die Hälfte ihrer rund zehn Milliarden Jahre langen Lebensspanne erreicht. Die Kombination aus dicht gepackten Sternen, relativ kurzen Lebensspannen und großen astronomischen Distanzen machen die Unterscheidung einzelner massereicher Sterne in Sternhaufen zu einer technischen Herausforderung.

Mit den Fähigkeiten des Zorro-Instruments am Gemini South Telescope haben Astronomen das bisher schärfste Bild von R136a1 erstellt, dem massereichsten Stern, der der Wissenschaft bekannt ist. Dieser gigantische Stern ist ein Mitglied des Sternhaufens R136, der rund 160.000 Lichtjahre von der Erde entfernt im Zentrum des Tarantelnebels in der Großen Magellanschen Wolke liegt, einer kleinen Begleitgalaxie der Milchstraße.

Frühere Beobachtungen ließen darauf schließen, dass R136a1 eine Masse zwischen 250 und 320 Sonnenmassen besitzt. Die neuen Zorro-Beobachtungen deuten jedoch darauf hin, dass dieser Riesenstern nur 170-230 Sonnenmassen aufweisen könnte. Aber sogar mit dieser niedrigeren Schätzung wäre R136a1 immer noch einer der massereichsten bekannten Sterne.

Astronomen können die Masse eines Sterns schätzen, indem sie seine beobachtete Helligkeit und Temperatur mit theoretischen Vorhersagen vergleichen. Das schärfere Zorro-Bild erlaubte dem Astronomen Venu M. Kalari und seinen Kollegen, die Helligkeit des Sterns R136a1 besser von seinen nahen stellaren Begleitern zu trennen, was zu einer niedrigeren Schätzung seiner Helligkeit und damit auch seiner Masse führte.

“Unsere Ergebnisse zeigen uns, dass der massereichste Stern, den wir derzeit kennen, nicht so massereich ist, wie wir ursprünglich dachten”, erklärte Kalari, der Hauptautor der Studie, die dieses Ergebnis beschreibt. “Das spricht dafür, dass die obere Grenze der stellaren Massen ebenso kleiner sein könnte als bislang angenommen.”

Dieses Ergebnis hat auch Bedeutung für den Ursprung der Elemente schwerer als Helium im Universum. Diese Elemente entstehen etwa während der kataklysmischen Explosionen von Sternen mit mehr als 150 Sonnenmassen in Ereignissen, die als Paarinstabilitätssupernovae bezeichnet werden. Wenn R136a1 weniger massereich ist als bisher angenommen, dann könnte das auch für andere massereiche Sterne gelten und dementsprechend könnten Paarinstabilitätssupernovae seltener vorkommen als erwartet.

Der Sternhaufen R136 wurde mit dem Weltraumteleskop Hubble und verschiedenen bodenbasierten Teleskopen beobachtet, aber keines davon konnte Bilder machen, die scharf genug sind, um all die Einzelsterne des nahen Sternhaufens aufzulösen.

Das Zorro-Instrument am Gemini South Telescope konnte das Auflösungsvermögen früherer Beobachtungen übertreffen, indem es eine Technik verwendete, die als Speckle Imaging bezeichnet wird. Sie ermöglicht bodengestützten Teleskopen, einen Großteil des störenden Einflusses der Erdatmosphäre zu überwinden (1). Durch das Aufnehmen vieler Tausend kurzbelichteter Bilder eines hellen Objekts und durch die sorgfältige Verarbeitung der Daten ist es möglich, fast den gesamten Unschärfeeffekt herauszumitteln (2). Dieser Ansatz und die Verwendung einer adaptiven Optik können das Auflösungsvermögen bodenbasierter Teleskope enorm steigern, wie die scharfen neuen Zorro-Beobachtungen von R136a1 zeigen (3).

“Dieses Ergebnis zeigt, dass ein 8,1-Meter-Teleskop unter den richtigen Bedingungen und an seine Grenzen gebracht nicht nur mit dem Weltraumteleskop Hubble mithalten kann, was die Winkelauflösung betrifft, sondern auch mit dem James Webb Space Teleskope”, sagte Ricardo Salinas, ein Co-Autor der Studie und Projektwissenschaftler für das Zorro-Instrument. “Diese Beobachtung erweitert die Grenze dessen, was mit Speckle Imaging für möglich gehalten wurde.”

“Wir begannen diese Arbeit als eine Konzeptbeobachtung, um zu sehen, wie gut Zorro diesen Objekttyp beobachten kann”, sagte Kalari. “Obwohl wir bei der Interpretation unserer Ergebnisse Vorsicht walten lassen, sprechen sie dafür, dass die meisten massereichen Sterne möglicherweise nicht so massereich sind wie einst angenommen.”

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Video-Link: https://youtu.be/OTAgRE5_NYE

 

Zorro und `Alopeke sind baugleiche Instrumente am Gemini South und am Gemini North Telescope. Ihre Namen sind das spanische und das hawaiianische Wort für “Fuchs” und repräsentieren die Standorte der Teleskope auf dem Maunakea (Hawaii) und auf dem Cerro Pachón in Chile. Diese Instrumente gehören zum Visiting Instrument Program des Gemini Observatory, das neue wissenschaftliche Erkenntnisse möglich macht, indem innovative Instrumente eingesetzt werden. Steve B. Howell, der derzeitige Vorsitzende des Gemini Observatory Board und Seniorwissenschaftler am Ames Research Center der NASA in Mountain View (Kalifornien), ist der leitende Forscher für beide Instrumente.

“Gemini South verbessert stetig unser Verständnis des Universums und wandelt die Astronomie, so wie wir sie kennen. Diese Entdeckung ist ein weiteres Beispiel für die wissenschaftlichen Leistungen, die wir erzielen können, wenn wir internationale Zusammenarbeit, führende Infrastruktur und ein herausragendes Team kombinieren”, sagte der Gemini Program Officer Martin Still von der National Science Foundation.

Bemerkungen:

(1): Der Unschärfeeffekt der Atmosphäre lässt die Sterne bei Nacht funkeln und Astronomen und Ingenieure haben eine Vielzahl an Ansätzen entwickelt, um mit atmosphärischen Turbulenzen zurechtzukommen. Observatorien werden an hochgelegenen, trockenen Standorten mit stabilen Bedingungen errichtet und Astronomen haben eine Handvoll Teleskope mit adaptiven Optiken, computergesteuerten beweglichen Spiegeln und Laserleitsternen ausgestattet, die die atmosphärischen Verzerrungen korrigieren können. Neben dem Speckle Imaging kann Gemini South sein Gemini Multi-Conjugate Adaptive Optics System nutzen, um dem Unschärfeeffekt der Atmosphäre entgegenzuwirken.

(2): Die von Zorro gemachten Einzelbeobachtungen hatten Belichtungszeiten von nur 60 Millisekunden. Im Verlauf von 40 Minuten wurden 40.000 dieser Einzelbelichtungen des Sternhaufens R136 gemacht. Jeder dieser Schnappschüsse war so kurz, dass die Atmosphäre keine Zeit hatte, eine Einzelbelichtung zu stören und durch die sorgfältige Kombinierung aller 40.000 Bilder konnte das Team ein scharfes Bild des Sternhaufens erstellen.

(3): Bei der Beobachtung im roten Bereich des sichtbaren elektromagnetischen Spektrums (bei 832 Nanometern) hat das Zorro-Instrument am Gemini South Telescope eine Bildauflösung von 30 Millibogensekunden. Das ist etwas besser als die Auflösung des James Webb Space Telescope und dreimal schärfer als die von Hubble im selben Wellenlängenbereich.

Quelle

(THK)

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