Die meisten Galaxien beherbergen supermassive Schwarze Löcher in ihren Kernen, jedes mit Millionen oder Milliarden Sonnenmassen. Man vermutet, dass um die Schwarzen Löcher herum ein Torus aus Staub und Gas existiert, und dass eine sehr heiße Akkretionsscheibe den Torus und Staub und Gas in der Nähe des Kerns aufheizt.
Solch ein aktiver galaktischer Kern (active galactic nucleus, AGN) strahlt im gesamten Bereich des elektromagnetischen Spektrums, wobei der Staub oft den Blick auf die innersten Regionen verwehrt. Gewaltige bipolare Jets aus geladenen Teilchen werden ebenfalls oft ausgestoßen. Die Strahlung des Torus kann direkt in infraroten Wellenlängen beobachtet werden, und wenn sie an den schnellen Teilchen gestreut wird, kann sie auch im Röntgenbereich registriert werden.
Aktive galaktische Kerne gehören zu den spektakulärsten und interessantesten Phänomenen der extragalaktischen Astronomie. Alle Standard-AGN-Modelle sagen die Präsenz eines Torus und einer Akkretionsscheibe voraus, aber die Details der Region sind schwer direkt zu untersuchen, weil man vermutet, dass der Torus relativ klein ist – nur einige hundert Lichtjahre.
Das Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA) hat kürzlich jedoch Strukturen in nahen aktiven galaktischen Kernen beobachtet, sowohl die Kontinuumsemissionen als auch die Emissionen der Moleküllinien. NGC 5643 ist eine Spiralgalaxie mit einem aktiven galaktischen Kern und bipolaren Jets. Im vergangenen Jahr entdeckte ALMA eine längliche Struktur von etwa 80 Lichtjahren Durchmesser in ihrem Kern (in den Emissionen des kühleren molekularen Gases betrug der Durchmesser rund 200 Lichtjahre). Wissenschaftler hatten vermutet, dass die Struktur der erwartete Torus des aktiven galaktischen Kerns ist und dass das molekulare Gas für die Verdeckung des aktiven galaktischen Kerns und für die Ausrichtung der Jets verantwortlich ist.
Die Astronomen Pepi Fabbiano, Aneta Siemiginowska und Martin Elvis vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) und ein Kollege haben jetzt das Weltraumteleskop Chandra verwendet, um die Region und den Torus im Röntgenbereich zu fotografieren. Das Team betrachtete die Energie einer hellen Eisenlinie und fand eine etwa 200 Lichtjahre große Struktur, die recht gut mit der oben erwähnten Struktur des kühleren molekularen Gases übereinstimmt. Sie scheint klumpig zu sein, und diese Eigenschaft spricht zusammen mit der anhand der ALMA-Beobachtungen abgeleiteten Größe und Dichte dafür, dass es sich um die Akkretionsscheibe handelt.
Dies ist das erste Objekt, bei dem sowohl Chandra als auch ALMA den wichtigen Torus identifiziert haben. Von Bedeutung ist außerdem die Tatsache, dass die beiden Beobachtungen den Bereich von Röntgenwellenlängen bis hin zu Millimeterwellenlängen umfassen. Normalerweise registrieren diese sehr verschiedenen Bänder extrem heiße beziehungsweise extrem kalte Materie in sehr unterschiedlichen Regionen, aber ein aktiver galaktischer Kern stellt eine sehr komplexe Umgebung dar.
Abhandlung: “Chandra Detection of the Circumnuclear Molecular Torus of the Compton-thick Active Galactic Nucleus in NGC 5643” von G. Fabbiano, A. Paggi, A. Siemiginowska und M. Elvis, ApJL 869, L36, 2018.
(THK)
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